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Freitag, 9. Juni 2017
Giftpfeile
c. fabry, 17:23h
Mit seinen Gedanken war er noch beim Cloud-Schießen. Er würde nie begreifen was die meditativen Typen an diesen Distanz-Schüssen fanden. Er zielte lieber auf Scheiben oder 3D-Figuren, wenn auch mit dem englischen Langbogen und nicht mit einem dieser seelenlosen Sportbögen aus Fiberglas. Er hatte auch gar nicht die Kraft, so weit durchzuziehen. Was ihn interessierte, war die Konzentration und Präzision, Tugenden die er sowohl in seiner beruflichen, als auch seiner ehrenamtlichen Tätigkeit benötigte. Dank dieses konzentrierten und präzisen Blickes, war ihm klar, dass diese ungepflegte, verhuschte, alternde Jugendmitarbeiterin viel zu teuer war, für das, was sie ablieferte. Er bekam keinen ausgeglichenen Haushalt hin, so lange diese Schmarotzer sich auf Kosten des Kirchensteuerzahlers in die Hängematte legten. Am Ende dieser Sitzung würde sie den Raum als Arbeitslose verlassen und dem Kirchenkreis ein paar rote Zahlen ersparen. Wie wichtigtuerisch sie ihren Bleistift aus der Federmappe kramte, um ihn dann doch nur ungenutzt auf den Tisch zu legen. Ihr Gesichtsausdruck war so finster, dass er sich fragte, welche düsteren Gedanken ihr wohl gerade durch den Kopf gingen.
- Diese kraftlosen, bleichen Arme, übersät mit unästhetischen Pigmentflecken. Mir ist jetzt noch schlecht vom fleischigen Händedruck seiner überdimensionierten Pranken. Der fleischbergige Finanzhansel sitzt bräsig da wie ein Sack Kartoffeln. Mir dreht sich der Magen um beim Anblick des aufgetriebenen Organverfettungsleibes, den er selbstgefällig wie eine kastrierte, alte Katze auf dem Schoß sitzen hat. Wie kann jemand, dem die freie Durchfahrt zur Schädelrückwand so offensichtlich auf die Stirn geschrieben steht, jemand, dessen dümmlich-wässrig blickende Augen durch die stillose Goldrandbrille glotzen, tatsächlich von der eigenen Genialität überzeugt sein? Warum strebt ein farblos dahinwelkender No-Name-Promovierter so unersättlich nach Macht über Dinge, mit denen er sich nicht auskennt? Weil er ein farblos dahinwelkender No-name-Promovierter ist und das auch schon war, als die anderen Jungs in seinem Alter noch voll im Saft standen und neben der in voller Blüte befindlichen Ehefrau und den wohlgestalteten, leistungsstarken Vorzeigekindern keine blutjunge Gelegenheit für den kleinen Hunger zwischendurch ausließen? Ich sollte meine Lebenszeit an keinen einzigen Gedanken in dieser Richtung verschwenden. Ein paar dunkle Gedanken und Feng-Shui-Giftpfeile sollten reichen, um ihm langfristig die Energie zu rauben. Er wäre nicht der Erste bei dem das klappt. Die glibbrige Wanderkröte hat am Ende auch die Flagge gestrichen. Hat nicht gewusst, dass ich dahinter stecke. Wird es auch nie erfahren. Ich lasse euch alle leiden. Jeden Einzelnen von Euch, der sich meinem Lebensglück in den Weg stellt. Ihr braucht dann keine Hölle mehr. Ihr habt sie schon. -
„Was ich immer noch nicht verstehe“, sagte der Jugendpfarrer, „ist dein Motiv. Du bist seit sechzehn Jahren bei uns, warst immer loyal und jetzt posaunst du plötzlich überall in der Gegend herum, der KSV haue dich übers Ohr. Dir muss doch klar sein, dass das Konsequenzen hat.“
„Ach ja? Und welche Konsequenzen hat es bitte schön, wenn Mittel, die ich durch Eigeninitiative und gute Ideen erwirtschaftet habe, um Ehrenamtlichen aus prekären Verhältnissen die Teilnahme an einer Qualitäts-Freizeit zu ermöglichen, in Haushaltslöchern verschwinden, die ich nicht zu verantworten habe?“
„Das kann ja gar nicht sein.“, meinte der Superintendent
„Nein, normalerweise kann so etwas gar nicht sein.“, gab Nicole von Behren ihm Recht.
„Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt.“, meinte der Kirchmeister.
„Ich bin nicht unverschämt.“
„Jetzt lassen Sie uns das doch vernünftig klären.“, versuchte der Superintendent die Wogen zu glätten. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Frau von Behren, dann haben Sie die hochkarätigen Sprachreisen organisiert und damit Mittel erwirtschaftet, aus denen sie Zuschüsse für andere Freizeiten gezahlt haben. Und diese Mittel stehen Ihnen jetzt nicht mehr zur Verfügung?“
„Genau so ist es.“
„Und wenn wir diese Summe aus Fördermitteln unserer Stiftung ausgleichen würden? Dann bekämen wir einen ausgeglichenen Haushalt hin und Ihre Arbeit wäre dennoch nicht gefährdet. Sie müssen nämlich wissen, dass wir die Stiftungsgelder nicht direkt in den Haushalt einstellen dürfen.“
„Aber mit Mitteln aus dem Jugendetat dürfen Sie das?“, fragte Nicole angriffslustig.
Der Kirchmeister mischte sich wieder ein: „Die Löcher, die wir stopfen, befinden sich ja im Jugendetat, das heißt, die Mittel werden keineswegs zweckentfremdet.“
„Das sind aber Löcher, die durch Gebäudekosten entstanden sind.“, hielt Nicole dagegen. „Sie verwechseln Äpfel mit Birnen. Sie plündern ja auch nicht die Chorkasse, um die Orgel zu reparieren.“
„Diesen Ton verbitte ich mir.“, entgegnete der Kirchmeister.
„Und ich verbitte mir derartige Eingriffe in meine Arbeit.“, erwiderte Nicole.
„Das steht Ihnen nicht zu.“, stellte der Superintendent energisch fest. „Wenn Sie sich auf die von mir vorgeschlagene Lösung einlassen können und in Zukunft den Ball flach halten und sich für den Fall, dass wieder mal ein Konflikt entsteht, an den Jugendpfarrer oder direkt an mich wenden, können Sie die Abmahnung in einem halben Jahr vergessen. Wäre Ihnen das möglich?“
„Wenn Sie die entsprechenden Mittel bereit stellen können, auf jeden Fall.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig.“, beendete der Superintendent zufrieden die Diskussion.
So wortreich die Gedanken der Nicole von Behren zu Beginn der Sitzung waren, so kurz und schlicht waren sie zwei Stunden später: „Aua – ich kann nicht atmen – Scheiße – ich hätte Jasper gern noch einmal gesehen – Scheiße.“
Dann fiel sie krachend zu Boden. Sie hätte ihre Feng Shui-Giftpfeile nicht auf einen Bogenschützen richten sollen.
- Diese kraftlosen, bleichen Arme, übersät mit unästhetischen Pigmentflecken. Mir ist jetzt noch schlecht vom fleischigen Händedruck seiner überdimensionierten Pranken. Der fleischbergige Finanzhansel sitzt bräsig da wie ein Sack Kartoffeln. Mir dreht sich der Magen um beim Anblick des aufgetriebenen Organverfettungsleibes, den er selbstgefällig wie eine kastrierte, alte Katze auf dem Schoß sitzen hat. Wie kann jemand, dem die freie Durchfahrt zur Schädelrückwand so offensichtlich auf die Stirn geschrieben steht, jemand, dessen dümmlich-wässrig blickende Augen durch die stillose Goldrandbrille glotzen, tatsächlich von der eigenen Genialität überzeugt sein? Warum strebt ein farblos dahinwelkender No-Name-Promovierter so unersättlich nach Macht über Dinge, mit denen er sich nicht auskennt? Weil er ein farblos dahinwelkender No-name-Promovierter ist und das auch schon war, als die anderen Jungs in seinem Alter noch voll im Saft standen und neben der in voller Blüte befindlichen Ehefrau und den wohlgestalteten, leistungsstarken Vorzeigekindern keine blutjunge Gelegenheit für den kleinen Hunger zwischendurch ausließen? Ich sollte meine Lebenszeit an keinen einzigen Gedanken in dieser Richtung verschwenden. Ein paar dunkle Gedanken und Feng-Shui-Giftpfeile sollten reichen, um ihm langfristig die Energie zu rauben. Er wäre nicht der Erste bei dem das klappt. Die glibbrige Wanderkröte hat am Ende auch die Flagge gestrichen. Hat nicht gewusst, dass ich dahinter stecke. Wird es auch nie erfahren. Ich lasse euch alle leiden. Jeden Einzelnen von Euch, der sich meinem Lebensglück in den Weg stellt. Ihr braucht dann keine Hölle mehr. Ihr habt sie schon. -
„Was ich immer noch nicht verstehe“, sagte der Jugendpfarrer, „ist dein Motiv. Du bist seit sechzehn Jahren bei uns, warst immer loyal und jetzt posaunst du plötzlich überall in der Gegend herum, der KSV haue dich übers Ohr. Dir muss doch klar sein, dass das Konsequenzen hat.“
„Ach ja? Und welche Konsequenzen hat es bitte schön, wenn Mittel, die ich durch Eigeninitiative und gute Ideen erwirtschaftet habe, um Ehrenamtlichen aus prekären Verhältnissen die Teilnahme an einer Qualitäts-Freizeit zu ermöglichen, in Haushaltslöchern verschwinden, die ich nicht zu verantworten habe?“
„Das kann ja gar nicht sein.“, meinte der Superintendent
„Nein, normalerweise kann so etwas gar nicht sein.“, gab Nicole von Behren ihm Recht.
„Jetzt werden Sie mal nicht unverschämt.“, meinte der Kirchmeister.
„Ich bin nicht unverschämt.“
„Jetzt lassen Sie uns das doch vernünftig klären.“, versuchte der Superintendent die Wogen zu glätten. „Wenn ich Sie richtig verstehe, Frau von Behren, dann haben Sie die hochkarätigen Sprachreisen organisiert und damit Mittel erwirtschaftet, aus denen sie Zuschüsse für andere Freizeiten gezahlt haben. Und diese Mittel stehen Ihnen jetzt nicht mehr zur Verfügung?“
„Genau so ist es.“
„Und wenn wir diese Summe aus Fördermitteln unserer Stiftung ausgleichen würden? Dann bekämen wir einen ausgeglichenen Haushalt hin und Ihre Arbeit wäre dennoch nicht gefährdet. Sie müssen nämlich wissen, dass wir die Stiftungsgelder nicht direkt in den Haushalt einstellen dürfen.“
„Aber mit Mitteln aus dem Jugendetat dürfen Sie das?“, fragte Nicole angriffslustig.
Der Kirchmeister mischte sich wieder ein: „Die Löcher, die wir stopfen, befinden sich ja im Jugendetat, das heißt, die Mittel werden keineswegs zweckentfremdet.“
„Das sind aber Löcher, die durch Gebäudekosten entstanden sind.“, hielt Nicole dagegen. „Sie verwechseln Äpfel mit Birnen. Sie plündern ja auch nicht die Chorkasse, um die Orgel zu reparieren.“
„Diesen Ton verbitte ich mir.“, entgegnete der Kirchmeister.
„Und ich verbitte mir derartige Eingriffe in meine Arbeit.“, erwiderte Nicole.
„Das steht Ihnen nicht zu.“, stellte der Superintendent energisch fest. „Wenn Sie sich auf die von mir vorgeschlagene Lösung einlassen können und in Zukunft den Ball flach halten und sich für den Fall, dass wieder mal ein Konflikt entsteht, an den Jugendpfarrer oder direkt an mich wenden, können Sie die Abmahnung in einem halben Jahr vergessen. Wäre Ihnen das möglich?“
„Wenn Sie die entsprechenden Mittel bereit stellen können, auf jeden Fall.“
„Gut, dann sind wir uns ja einig.“, beendete der Superintendent zufrieden die Diskussion.
So wortreich die Gedanken der Nicole von Behren zu Beginn der Sitzung waren, so kurz und schlicht waren sie zwei Stunden später: „Aua – ich kann nicht atmen – Scheiße – ich hätte Jasper gern noch einmal gesehen – Scheiße.“
Dann fiel sie krachend zu Boden. Sie hätte ihre Feng Shui-Giftpfeile nicht auf einen Bogenschützen richten sollen.
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Sonntag, 28. Mai 2017
Ein Gugelhupf für ein Gospelsolo
c. fabry, 16:19h
Das Chorwochenende kam ihr im Rückblick vor wie 14 Tage Robinson-Club. So intensiv, so voller Begegnungen und endlich hatte sie zeigen können, was in ihr steckte; ein ganzes langes Wochenende hindurch. Sie hatte gesehen, wie es allen durch Mark und Bein ging, als sie „I Will Follow Him“ zum Besten gegeben hatte.
Lilian hatte keine Zeit, sie musste sich auf eine Prüfung vorbereiten, darum hatte sie ihren Part übernommen und nach ihren Auftritten war sie ganz sicher gewesen, dass das junge Küken ihr nicht das Wasser reichen konnte.
Doch dann – am Sonntag Vormittag, kurz vor der Rückreise – hörte sie zufällig auf der Toilette ein Gespräch zwischen Beate und Gudula mit an:
„Ich bin ja heilfroh, wenn Lilian endlich ihre Prüfung hinter sich hat und wieder bei den Proben dabei ist.“, sagte Beate.
„Ach komm.“, erwiderte Gudula. „So schlecht hat Heike doch gar nicht gesungen. Für die Proben war das völlig okay.“
Solange Lilian da war, würde sie das Solo nicht singen können. Sie erklärte sich bereit, Lilian nachher die Noten vorbei zu bringen, die an diesem Wochenende neu dazugekommen waren, damit sie sich bis zur Probe am Dienstag Abend auf den neuesten Stand bringen konnte – ihre Prüfung stand Montag Mittag an. Wenn man so im Prüfungsstress war, konnte man einen saftigen Kuchen gebrauchen, von dem man sich von Zeit zu Zeit eine Scheibe abschneiden konnte. Sie zauberte ihren berühmten Mandel-Gugelhupf mit Bittermandelöl und echter Vanille – das Rezept veränderte sie nur um eine kleine, kaum wahrnehmbare Variante, von der sie sich aber eine große Wirkung versprach. Lilian würde sich am Dienstag krank melden und sie würde das Solo erneut singen. Irgendwann konnten sie es ihr einfach nicht mehr wegnehmen, schließlich waren sie nicht im gnadenlosen Show-Business unterwegs, sondern der Gospelchor einer evangelischen Kirchengemeinde, eine Gruppe, für die christliche Werte im Vordergrund standen.
Pünktlich zur Kaffeezeit stand sie vor Lilians Tür. Die junge Frau öffnete nach einer Weile. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die Haare waren nicht gekämmt und sie war nachlässig gekleidet.
„Hallo Lilian, ich wollte dir schon einmal die Noten für Dienstag vorbei bringen und hier einen schönen Gugelhupf, damit du beim Lernen bei Kräften bleibst.“
„Oh, danke.“, antwortete Lilian. „Was ist denn da drin?“
„Eier, Butter, Zucker, Bittermandelöl, Vanillemark, Dinkelmehl, ungeschälte, gemahlene Mandeln, Backpulver und Milch.“
„Ja, super, danke. „Zucker und Fett ist ja gut für die Nerven.“
„Ja, und Mandeln sind basisch, damit du nicht übersäuerst. Und als Belohnung nach der Prüfung ist das ja auch das Richtige. So ein Gugelhupf hält sich ja ein paar Tage.“
„Toll. Du ich würde dich ja gerne zum Kaffee einladen, aber...“
„Nein, nein, du sollst ja lernen. Und ich habe auch überhaupt keine Zeit. Ich muss ja erst einmal die Wäsche vom Wochenende waschen. Viel Glück morgen und dann bis Dienstag.“
„Ja, danke. Bis Dienstag. Tschüss.“
Sie rieb sich die Hände: „Heute back ich, morgen wart ich, übermorgen singe ich der Lilian ihr Lied – ach wie gut dass niemand weiß, in welchen Kuchen sie gleich beißt.“
Am Montag nach der Arbeit putzte sie ihre Wohnung gründlich – schließlich hatte sie am Wochenende keine Zeit gehabt und es lenkte sie ein wenig von der Aufregung ab – so ganz risikolos war ihr kleiner Anschlag nicht gewesen. Man könnte ihr auf die Schliche kommen und dann wäre alle Hoffnung auf das Solo vergebens.
Dienstag Abend. Nach und nach trudelten alle ein. Wie sie erwartet hatte, tauchte Lilian nicht auf. Aber sie hatte sich bei niemandem abgemeldet. Sie erschien einfach nicht. Vielleicht war die Wirkung so durchschlagend, dass sie gar nicht mehr vom Klo herunterkam. Vielleicht hatte sie es nicht einmal mehr zur Prüfung geschafft und hatte sich frustriert zu Hause eingeigelt. Aber darüber musste sie sich nicht den Kopf zerbrechen. So ein junges, hübsches, talentiertes Ding wie Lilian bekam immer mehr als eine zweite Chance, das bräche ihr nicht das Genick.
Sie sang das Solo und in der Gewissheit, dass es ihr niemand mehr streitig machen würde, quoll ihr Brustkorb über vor Inbrunst.
Nach der Probe erklärte Beate: „Ich fahre noch mal eben bei Lilian vorbei und sehe nach dem rechten. Hoffentlich ist mit der Prüfung gestern alles gut gegangen.“
„Vielleicht feiert sie immer noch.“, erwiderte Gudula, „und hat die Chorprobe darüber ganz vergessen."
Am Mittwoch hatte sie Schwierigkeiten, sich bei der Arbeit zu konzentrieren. Sie hatte unruhig geschlafen, war immer wieder aus wilden Träumen aufgewacht, an die sie sich nicht erinnern konnte. Und jetzt schwankte sie zwischen Euphorie, wegen des sicheren Solos und einer diffusen Angst, dass da irgendetwas aus dem Ruder lief.
Sie hatte sich gerade einen Kaffee gekocht, da klingelte es an der Wohnungstür. Gudula stand dort und ihre Augen bewegten sich unruhig. „Du, die Lilian ist gestorben.“
Die Nachricht erreichte zuerst ihren Nacken, ging von dort auf direktem Weg zum Solar Plexus und wanderte dann langsam übers Rückenmark unter ihre Schädeldecke. Die Rechenleistung ihrer Neuronen erwies sich als schwer verlangsamt. Das passte nicht zusammen. Rizinusöl brachte niemanden um, es täuschte im schlimmsten Fall einen schweren Magen-Darm-Infekt vor. Es musste einen anderen Grund geben. Ihr Kuchen hatte nichts damit zu tun. Schließlich erwiderte sie: „Aber wie kann das sein? Sie war doch jung und gesund.“
„Ihr Freund hat sie Montag Nachmittag in der Wohnung gefunden. Er wollte sie von der Prüfung abholen, doch da war sie nicht aufgetaucht. Darum ist er zu ihr nach Hause, er hatte einen eigenen Schlüssel. Sie lag im Wohnzimmer. Der Arzt hat dann festgestellt, dass sie schon seit Sonntag Nachmittag tot war. Sie hatte einen anaphylaktischen Schock.“
„Wogegen war sie denn allergisch?“
„Gegen Haselnüsse.“
„Aber das wird sie doch gewusst haben.“
„Sicher, aber sie hat wohl von einem Kuchen gegessen, der Haselnüsse enthielt. Vielleicht hat sie das nicht gewusst.“
„Mein Gott, wie furchtbar.“
„Ja, furchtbar. Du ich muss jetzt weiter, ich wollte noch ein paar Leuten Bescheid sagen. Wir sehen uns dann am Sonntag.“
„Ja natürlich.“
Gudula ging die Treppe herunter. Sie schloss die Tür. Haselnüsse. Sie hatte gemahlene Mandeln in den Kuchen getan. Hatten die vielleicht Spuren von Nüssen enthalten? Aber wenn das so gefährlich war, hätte Lilian doch niemals... Sie öffnete den Deckel der Wertstofftonne. Da lag noch das ganze Verpackungsmaterial von Sonntag. Sie fischte die Mandeltüten aus dem Eimer. „Sunmaid“ stand darauf. „Gemahlene Haselnüsse“.
Lilian hatte keine Zeit, sie musste sich auf eine Prüfung vorbereiten, darum hatte sie ihren Part übernommen und nach ihren Auftritten war sie ganz sicher gewesen, dass das junge Küken ihr nicht das Wasser reichen konnte.
Doch dann – am Sonntag Vormittag, kurz vor der Rückreise – hörte sie zufällig auf der Toilette ein Gespräch zwischen Beate und Gudula mit an:
„Ich bin ja heilfroh, wenn Lilian endlich ihre Prüfung hinter sich hat und wieder bei den Proben dabei ist.“, sagte Beate.
„Ach komm.“, erwiderte Gudula. „So schlecht hat Heike doch gar nicht gesungen. Für die Proben war das völlig okay.“
Solange Lilian da war, würde sie das Solo nicht singen können. Sie erklärte sich bereit, Lilian nachher die Noten vorbei zu bringen, die an diesem Wochenende neu dazugekommen waren, damit sie sich bis zur Probe am Dienstag Abend auf den neuesten Stand bringen konnte – ihre Prüfung stand Montag Mittag an. Wenn man so im Prüfungsstress war, konnte man einen saftigen Kuchen gebrauchen, von dem man sich von Zeit zu Zeit eine Scheibe abschneiden konnte. Sie zauberte ihren berühmten Mandel-Gugelhupf mit Bittermandelöl und echter Vanille – das Rezept veränderte sie nur um eine kleine, kaum wahrnehmbare Variante, von der sie sich aber eine große Wirkung versprach. Lilian würde sich am Dienstag krank melden und sie würde das Solo erneut singen. Irgendwann konnten sie es ihr einfach nicht mehr wegnehmen, schließlich waren sie nicht im gnadenlosen Show-Business unterwegs, sondern der Gospelchor einer evangelischen Kirchengemeinde, eine Gruppe, für die christliche Werte im Vordergrund standen.
Pünktlich zur Kaffeezeit stand sie vor Lilians Tür. Die junge Frau öffnete nach einer Weile. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, die Haare waren nicht gekämmt und sie war nachlässig gekleidet.
„Hallo Lilian, ich wollte dir schon einmal die Noten für Dienstag vorbei bringen und hier einen schönen Gugelhupf, damit du beim Lernen bei Kräften bleibst.“
„Oh, danke.“, antwortete Lilian. „Was ist denn da drin?“
„Eier, Butter, Zucker, Bittermandelöl, Vanillemark, Dinkelmehl, ungeschälte, gemahlene Mandeln, Backpulver und Milch.“
„Ja, super, danke. „Zucker und Fett ist ja gut für die Nerven.“
„Ja, und Mandeln sind basisch, damit du nicht übersäuerst. Und als Belohnung nach der Prüfung ist das ja auch das Richtige. So ein Gugelhupf hält sich ja ein paar Tage.“
„Toll. Du ich würde dich ja gerne zum Kaffee einladen, aber...“
„Nein, nein, du sollst ja lernen. Und ich habe auch überhaupt keine Zeit. Ich muss ja erst einmal die Wäsche vom Wochenende waschen. Viel Glück morgen und dann bis Dienstag.“
„Ja, danke. Bis Dienstag. Tschüss.“
Sie rieb sich die Hände: „Heute back ich, morgen wart ich, übermorgen singe ich der Lilian ihr Lied – ach wie gut dass niemand weiß, in welchen Kuchen sie gleich beißt.“
Am Montag nach der Arbeit putzte sie ihre Wohnung gründlich – schließlich hatte sie am Wochenende keine Zeit gehabt und es lenkte sie ein wenig von der Aufregung ab – so ganz risikolos war ihr kleiner Anschlag nicht gewesen. Man könnte ihr auf die Schliche kommen und dann wäre alle Hoffnung auf das Solo vergebens.
Dienstag Abend. Nach und nach trudelten alle ein. Wie sie erwartet hatte, tauchte Lilian nicht auf. Aber sie hatte sich bei niemandem abgemeldet. Sie erschien einfach nicht. Vielleicht war die Wirkung so durchschlagend, dass sie gar nicht mehr vom Klo herunterkam. Vielleicht hatte sie es nicht einmal mehr zur Prüfung geschafft und hatte sich frustriert zu Hause eingeigelt. Aber darüber musste sie sich nicht den Kopf zerbrechen. So ein junges, hübsches, talentiertes Ding wie Lilian bekam immer mehr als eine zweite Chance, das bräche ihr nicht das Genick.
Sie sang das Solo und in der Gewissheit, dass es ihr niemand mehr streitig machen würde, quoll ihr Brustkorb über vor Inbrunst.
Nach der Probe erklärte Beate: „Ich fahre noch mal eben bei Lilian vorbei und sehe nach dem rechten. Hoffentlich ist mit der Prüfung gestern alles gut gegangen.“
„Vielleicht feiert sie immer noch.“, erwiderte Gudula, „und hat die Chorprobe darüber ganz vergessen."
Am Mittwoch hatte sie Schwierigkeiten, sich bei der Arbeit zu konzentrieren. Sie hatte unruhig geschlafen, war immer wieder aus wilden Träumen aufgewacht, an die sie sich nicht erinnern konnte. Und jetzt schwankte sie zwischen Euphorie, wegen des sicheren Solos und einer diffusen Angst, dass da irgendetwas aus dem Ruder lief.
Sie hatte sich gerade einen Kaffee gekocht, da klingelte es an der Wohnungstür. Gudula stand dort und ihre Augen bewegten sich unruhig. „Du, die Lilian ist gestorben.“
Die Nachricht erreichte zuerst ihren Nacken, ging von dort auf direktem Weg zum Solar Plexus und wanderte dann langsam übers Rückenmark unter ihre Schädeldecke. Die Rechenleistung ihrer Neuronen erwies sich als schwer verlangsamt. Das passte nicht zusammen. Rizinusöl brachte niemanden um, es täuschte im schlimmsten Fall einen schweren Magen-Darm-Infekt vor. Es musste einen anderen Grund geben. Ihr Kuchen hatte nichts damit zu tun. Schließlich erwiderte sie: „Aber wie kann das sein? Sie war doch jung und gesund.“
„Ihr Freund hat sie Montag Nachmittag in der Wohnung gefunden. Er wollte sie von der Prüfung abholen, doch da war sie nicht aufgetaucht. Darum ist er zu ihr nach Hause, er hatte einen eigenen Schlüssel. Sie lag im Wohnzimmer. Der Arzt hat dann festgestellt, dass sie schon seit Sonntag Nachmittag tot war. Sie hatte einen anaphylaktischen Schock.“
„Wogegen war sie denn allergisch?“
„Gegen Haselnüsse.“
„Aber das wird sie doch gewusst haben.“
„Sicher, aber sie hat wohl von einem Kuchen gegessen, der Haselnüsse enthielt. Vielleicht hat sie das nicht gewusst.“
„Mein Gott, wie furchtbar.“
„Ja, furchtbar. Du ich muss jetzt weiter, ich wollte noch ein paar Leuten Bescheid sagen. Wir sehen uns dann am Sonntag.“
„Ja natürlich.“
Gudula ging die Treppe herunter. Sie schloss die Tür. Haselnüsse. Sie hatte gemahlene Mandeln in den Kuchen getan. Hatten die vielleicht Spuren von Nüssen enthalten? Aber wenn das so gefährlich war, hätte Lilian doch niemals... Sie öffnete den Deckel der Wertstofftonne. Da lag noch das ganze Verpackungsmaterial von Sonntag. Sie fischte die Mandeltüten aus dem Eimer. „Sunmaid“ stand darauf. „Gemahlene Haselnüsse“.
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Mittwoch, 24. Mai 2017
Gemeinschaft der Heiligen
c. fabry, 00:21h
Frank: Wie der Norbert schon wieder rumläuft, wie frisch vom Modeshooting und Jesko wie nach drei Wochen Tauchkurs auf den Malediven – vorher fünfmal die Woche Radfahrtraining für den Giro di Tecklenburg. Wo ist denn Benedikt? Ich brauch wenigstens einen Kollegen mit einem richtigen Gehirn an meiner Seite sonst überlebe ich das heute nicht.
Norbert: Der Sup platzt irgendwann. Lange kann das nicht mehr dauern. Wie kann man seinen Körper nur derartig ruinieren? Das wird mir nicht passieren. Das kann mir nicht passieren. Hoffentlich dauert das heute Morgen nicht so lange, sonst komme ich vor dem Taufgespräch gar nicht mehr zum Laufen und dann bin ich nachher beim Glaubenskurs ganz verspannt.
Jesko: Schon fünf nach halb. Kann der Chef nicht mal anfangen? Immer dieses Getue mit dem akademischen Viertel. So kommt man doch zu nichts. Ich glaube in der freien Wirtschaft wäre ich besser aufgehoben.
Benedikt: Ach da ist ja Eckhart. Da gehe ich gleich mal hin. Noch drei Sitzungen, dann bin ich endlich weg!
Gisbert: Sind ja etliche heute gekommen, scheint keiner unentschuldigt zu fehlen. Dann fange ich mal an.
„Guten Morgen liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schwestern und Brüder. Die Andacht würde ich heute gern aufs Ende verschieben und sofort mit der Tagesordnung beginnen.“
Dagmar: Endlich mal ein Pragmatiker.
Tanja: Ganz so seelenlos muss man es ja auch nicht angehen. Wir könnten ja wenigstens ein Liedchen trällern. Hoffentlich wird die Andacht am Ende nicht so endlos lang. Ich muss noch an den Schreibtisch.
Albert: Also ein guter Gedanke zum Einstieg, wäre ja wohl drin gewesen. Na ja. Wo ist denn der Tee? Ach da. Und da steht ja auch das heiße Wasser. Was soll das nur mit diesen Fingerhut-Tassen? Ich gehe mal eben in die Küche und hole ein paar große Becher.
Xenia: Dirk hat das einfach besser gemacht. Ich langweile mich jetzt schon.
Gisbert: „Der erste Tagesordnungspunkt ist der Rückblick auf unseren Kreiskirchentag. Ich freue mich, feststellen zu dürfen, dass alle Gemeinden vertreten waren.“
Siemke: Ja super, alle mit den gleichen phantasielosen Fressmeilen-Beiträgen.
Gisbert: „Darum haben alle sicher mitbekommen, dass auch die Besucherzahlen äußerst zufriedenstellend waren.“
Eberhard: Kein Wunder, mit unserem Bibelgarten als Hauptattraktion.
Gisbert: „Ich schlage vor, dass wir ein bisschen in Bewegung kommen, indem jeder von uns auf jeweils drei Moderationskarten notiert, was besonders gelungen war und was eklatant verbesserungswürdig wäre.“
Thea: „Da sind jeweils drei Karten aber ein bisschen wenig.“
Gisbert: „Da müssen Sie sich dann eben entscheiden. Wenn jeder drei Dinge benennt, die ihm besonders aufgefallen sind, kommt schon mehr als genug zusammen.“
Thea: „Ja, aber vermutlich ist das weitestgehend deckungsgleich. Toll war, dass viele Besucher da waren, dass das Wetter mitgespielt hat, dass alle Gemeinden da waren. Doof war die chaotische Anreise, die mangelnde Teilnahme an den Vorbereitungstreffen und die missratene Müllvermeidung. Da gehen sicher viele wichtige Punkte unter.“
Brigitte: „Also ich hätte völlig andere Beiträge. Machen wir es doch erst einmal so, wie Bruder Tünker es vorgeschlagen hat. Wenn wir jetzt alles bis ins Detail diskutieren, sitzen wir morgen noch hier.“
Thorsten: „Ich möchte Thea aber beipflichten. Wenn nur die Punkte notiert werden, die uns als Erstes einfallen, gehen viele nicht unbedeutende Kleinigkeiten unter. Mir würden nämlich allein schon fünf Kritikpunkte einfallen und die finde ich alle gleich wichtig.“
Frank: „Dann ist das ja jetzt eine richtige Herausforderung für dich.“
Thorsten: Was soll das denn? Kann man hier nicht einmal mehr konstruktive Kritik äußern, ohne von den immer gleichen Stänkerern angegangen zu werden?
Gisbert: „Also bitte. Das Konzept hat sich bewährt. Könnten jetzt bitte alle meiner Aufforderung nachkommen?“
Heiko: Der Mann hat's auch nicht leicht. Ich gehe mal mit gutem Beispiel voran.
Detlev: Der Kaffee schmeckt heute wieder besonders eklig. Als hätten die die Filtertüten der letzten Woche recycelt. Ich glaube, nächstes Mal trinke ich wieder Tee, auch wenn der mit diesem lauwarmen Wasser immer nach Spülwasser schmeckt. Aber wenigstens nicht so muffig wie dieser Kaffee.
Stefan: Ich schreibe mal auf, dass es zu wenig niveauvolle kreative Angebote für Jugendliche gab. Wir waren mit unserer Glasmalerei ja nun wirklich die Einzigen, die da etwas Reizvolles abgeliefert haben. Ich bin ein Genie in einem Haufen von lauter Luschen. Wie halte ich das nur aus?
Sigmar: Die Tanja hat heute aber ein ziemlich dünnes Blüschen an. Steht ihr aber. Ist sowieso die Netteste hier. Überhaupt die Einzige, mit der ich mir vorstellen könnte..., das heißt die Thea ist ja auch ziemlich hübsch, aber so rau und dominant. Meine Güte, was soll ich denn jetzt auf diese Zettel schreiben?
Jochen: Ich fand es ja gut, dass nicht alle Gemeinden das Gleiche gemacht haben. Wie drücke ich das denn möglichst eindrucksvoll aus, dass das nicht so banal klingt? Angebotsvielfalt hört sich ja an wie Supermarktregal.
Elisabeth: Einige sehen heute Morgen aber reichlich mitgenommen aus. Ich habe ja vorher gesagt, wir sollen uns dieses Jahr nicht zu viel vornehmen, aber sobald sich zwei oder drei Leute im Namen Jesu profilieren wollen, buttern sie die anderen unter und drücken ihnen eine Großveranstaltung aufs Auge.
Frank: Diese schwachsinnige sozialpädagogische Lebenszeitverschwendung könnten wir uns auch einfach schenken. Genauso wie diesen entsetzlichen Kaffee. Aber ich glaube, ich brauch noch eine Tasse, mein Kreislauf kommt heute so gar nicht in Schwung.
Norbert: Zu wenig Raum für Stille, zu viele Massen, hohes Sicherheitsrisiko. So fertig.
Jesko: Ich glaube, ich werde krank.
Benedikt: „Kann mal einer ein Fenster aufmachen? Die Luft steht hier ja.“
Gisbert: „Ja, ich mach das.“
Dagmar: „Ist der Kaffee entkoffeiniert? Ich werden immer müder statt wacher.“
Tanja: „Keine Ahnung, ich trinke Tee.“
Albert: „Ich auch.“
Xenia: „Ich kann mich heute Morgen gar nicht konzentrieren. Ist aber auch eine völlig veraltete und wenig zielführende Methode.“
Siemke: „Kleingruppen mit Zeitlimit und Ergebnissicherung hätte ich auch besser gefunden. Ist nicht mein Tag heute. Ich sehe auch irgendwie so schlecht. Ich glaub' ich brauch 'ne Brille.“
Eberhard: „Ja, so geht’s einem, wenn man zu lange wartet. Aber diese ganze Manöverkritik führt sowieso zu nichts, wenn die Leute nicht bereit sind, sich was zu trauen.“
Thea: „Was sollen die sich denn trauen? Table-Dancing am Microfon-Ständer oder was? Jetzt fassen Sie sich nicht gleich so dramatisch an den Kopf, wir leben im 21. Jahrhundert. Oder geht es Ihnen nicht gut?“
Brigitte: Ich glaube ich muss brechen.
Heiko: Was steht da? Ich kann das gar nicht mehr lesen.
Christoph: Ich muss mal zum Fenster, ich brauche mehr Luft.
Detlev: Scheiße, ich muss mich noch mal hinsetzen.
Stefan: Hat der Sup uns was in den Kaffee getan? Nee, der liegt ja selber...
Sigmar: Wieso fallen die alle...
Jochen: Was passiert hier?
Elisabeth: „Was ist hier los? Hat einer von euch ein Handy dabei? Ich glaube wir wurden alle vergiftet!“
Norbert: „Oh Gott, Nein!“
Albert: „Ich glaube nicht alle. Nur die Kaffeetrinker.“
Norbert: Gott sei Dank.
Tanja: „Ja, guten Morgen, hier spricht Tanja Wehmeier. Hier im Kreiskirchenamt Tecklenburg scheint eine Massenvergiftung vorzuliegen. Mindestens 15 Leute. Wir vermuten, dass irgendetwas im Kaffee war.“
In Bochum öffnet Jugendreferentin Elena Wilmsmeier ihr E-mail-Postfach. Da gibt es eine Mail mit einem merkwürdigen Betreff: „Stellensicherung durch Theologen-Reduktion“. Sie öffnet die Mail. Im Verteiler stehen sämtliche Kolleginnen und Kollegen des letzten landeskirchlichen Konvents. Absender ist der Synodal-Jugendreferent des Kirchenkreises Tecklenburg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Kirchensteuern steigen. Auch unsere Landeskirche hat mehr Einnahmen denn je. Trotzdem erklärt man uns überall, man könne uns nicht mehr bezahlen. Wir alle wissen woran das liegt. Das Geld verschwindet in dem Fass ohne Boden, das Ruhegehälter für Theologen heißt. Auch wenn die 58er-Regelung nicht mehr greift: Theologen können es sich leisten, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen und Abzüge in Kauf zu nehmen. Dann werden sie besonders alt. Und es wird besonders teuer für die Kirche. Und wir können nichts dagegen tun. Wirklich nichts?
In Tecklenburg sterben 16 Pfarrerinnen und Pfarrer an einer akuten Vergiftung. Trafen sich zur Pfarr-Konferenz. Ja, ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen. Und an die Vergebung der Sünden. Und bis die Toten wieder auferstehen, werden die Kirchensteuermittel für die Lebenden reichen.
Herzliche Grüße,
euer Friedemann Morrell
Norbert: Der Sup platzt irgendwann. Lange kann das nicht mehr dauern. Wie kann man seinen Körper nur derartig ruinieren? Das wird mir nicht passieren. Das kann mir nicht passieren. Hoffentlich dauert das heute Morgen nicht so lange, sonst komme ich vor dem Taufgespräch gar nicht mehr zum Laufen und dann bin ich nachher beim Glaubenskurs ganz verspannt.
Jesko: Schon fünf nach halb. Kann der Chef nicht mal anfangen? Immer dieses Getue mit dem akademischen Viertel. So kommt man doch zu nichts. Ich glaube in der freien Wirtschaft wäre ich besser aufgehoben.
Benedikt: Ach da ist ja Eckhart. Da gehe ich gleich mal hin. Noch drei Sitzungen, dann bin ich endlich weg!
Gisbert: Sind ja etliche heute gekommen, scheint keiner unentschuldigt zu fehlen. Dann fange ich mal an.
„Guten Morgen liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Schwestern und Brüder. Die Andacht würde ich heute gern aufs Ende verschieben und sofort mit der Tagesordnung beginnen.“
Dagmar: Endlich mal ein Pragmatiker.
Tanja: Ganz so seelenlos muss man es ja auch nicht angehen. Wir könnten ja wenigstens ein Liedchen trällern. Hoffentlich wird die Andacht am Ende nicht so endlos lang. Ich muss noch an den Schreibtisch.
Albert: Also ein guter Gedanke zum Einstieg, wäre ja wohl drin gewesen. Na ja. Wo ist denn der Tee? Ach da. Und da steht ja auch das heiße Wasser. Was soll das nur mit diesen Fingerhut-Tassen? Ich gehe mal eben in die Küche und hole ein paar große Becher.
Xenia: Dirk hat das einfach besser gemacht. Ich langweile mich jetzt schon.
Gisbert: „Der erste Tagesordnungspunkt ist der Rückblick auf unseren Kreiskirchentag. Ich freue mich, feststellen zu dürfen, dass alle Gemeinden vertreten waren.“
Siemke: Ja super, alle mit den gleichen phantasielosen Fressmeilen-Beiträgen.
Gisbert: „Darum haben alle sicher mitbekommen, dass auch die Besucherzahlen äußerst zufriedenstellend waren.“
Eberhard: Kein Wunder, mit unserem Bibelgarten als Hauptattraktion.
Gisbert: „Ich schlage vor, dass wir ein bisschen in Bewegung kommen, indem jeder von uns auf jeweils drei Moderationskarten notiert, was besonders gelungen war und was eklatant verbesserungswürdig wäre.“
Thea: „Da sind jeweils drei Karten aber ein bisschen wenig.“
Gisbert: „Da müssen Sie sich dann eben entscheiden. Wenn jeder drei Dinge benennt, die ihm besonders aufgefallen sind, kommt schon mehr als genug zusammen.“
Thea: „Ja, aber vermutlich ist das weitestgehend deckungsgleich. Toll war, dass viele Besucher da waren, dass das Wetter mitgespielt hat, dass alle Gemeinden da waren. Doof war die chaotische Anreise, die mangelnde Teilnahme an den Vorbereitungstreffen und die missratene Müllvermeidung. Da gehen sicher viele wichtige Punkte unter.“
Brigitte: „Also ich hätte völlig andere Beiträge. Machen wir es doch erst einmal so, wie Bruder Tünker es vorgeschlagen hat. Wenn wir jetzt alles bis ins Detail diskutieren, sitzen wir morgen noch hier.“
Thorsten: „Ich möchte Thea aber beipflichten. Wenn nur die Punkte notiert werden, die uns als Erstes einfallen, gehen viele nicht unbedeutende Kleinigkeiten unter. Mir würden nämlich allein schon fünf Kritikpunkte einfallen und die finde ich alle gleich wichtig.“
Frank: „Dann ist das ja jetzt eine richtige Herausforderung für dich.“
Thorsten: Was soll das denn? Kann man hier nicht einmal mehr konstruktive Kritik äußern, ohne von den immer gleichen Stänkerern angegangen zu werden?
Gisbert: „Also bitte. Das Konzept hat sich bewährt. Könnten jetzt bitte alle meiner Aufforderung nachkommen?“
Heiko: Der Mann hat's auch nicht leicht. Ich gehe mal mit gutem Beispiel voran.
Detlev: Der Kaffee schmeckt heute wieder besonders eklig. Als hätten die die Filtertüten der letzten Woche recycelt. Ich glaube, nächstes Mal trinke ich wieder Tee, auch wenn der mit diesem lauwarmen Wasser immer nach Spülwasser schmeckt. Aber wenigstens nicht so muffig wie dieser Kaffee.
Stefan: Ich schreibe mal auf, dass es zu wenig niveauvolle kreative Angebote für Jugendliche gab. Wir waren mit unserer Glasmalerei ja nun wirklich die Einzigen, die da etwas Reizvolles abgeliefert haben. Ich bin ein Genie in einem Haufen von lauter Luschen. Wie halte ich das nur aus?
Sigmar: Die Tanja hat heute aber ein ziemlich dünnes Blüschen an. Steht ihr aber. Ist sowieso die Netteste hier. Überhaupt die Einzige, mit der ich mir vorstellen könnte..., das heißt die Thea ist ja auch ziemlich hübsch, aber so rau und dominant. Meine Güte, was soll ich denn jetzt auf diese Zettel schreiben?
Jochen: Ich fand es ja gut, dass nicht alle Gemeinden das Gleiche gemacht haben. Wie drücke ich das denn möglichst eindrucksvoll aus, dass das nicht so banal klingt? Angebotsvielfalt hört sich ja an wie Supermarktregal.
Elisabeth: Einige sehen heute Morgen aber reichlich mitgenommen aus. Ich habe ja vorher gesagt, wir sollen uns dieses Jahr nicht zu viel vornehmen, aber sobald sich zwei oder drei Leute im Namen Jesu profilieren wollen, buttern sie die anderen unter und drücken ihnen eine Großveranstaltung aufs Auge.
Frank: Diese schwachsinnige sozialpädagogische Lebenszeitverschwendung könnten wir uns auch einfach schenken. Genauso wie diesen entsetzlichen Kaffee. Aber ich glaube, ich brauch noch eine Tasse, mein Kreislauf kommt heute so gar nicht in Schwung.
Norbert: Zu wenig Raum für Stille, zu viele Massen, hohes Sicherheitsrisiko. So fertig.
Jesko: Ich glaube, ich werde krank.
Benedikt: „Kann mal einer ein Fenster aufmachen? Die Luft steht hier ja.“
Gisbert: „Ja, ich mach das.“
Dagmar: „Ist der Kaffee entkoffeiniert? Ich werden immer müder statt wacher.“
Tanja: „Keine Ahnung, ich trinke Tee.“
Albert: „Ich auch.“
Xenia: „Ich kann mich heute Morgen gar nicht konzentrieren. Ist aber auch eine völlig veraltete und wenig zielführende Methode.“
Siemke: „Kleingruppen mit Zeitlimit und Ergebnissicherung hätte ich auch besser gefunden. Ist nicht mein Tag heute. Ich sehe auch irgendwie so schlecht. Ich glaub' ich brauch 'ne Brille.“
Eberhard: „Ja, so geht’s einem, wenn man zu lange wartet. Aber diese ganze Manöverkritik führt sowieso zu nichts, wenn die Leute nicht bereit sind, sich was zu trauen.“
Thea: „Was sollen die sich denn trauen? Table-Dancing am Microfon-Ständer oder was? Jetzt fassen Sie sich nicht gleich so dramatisch an den Kopf, wir leben im 21. Jahrhundert. Oder geht es Ihnen nicht gut?“
Brigitte: Ich glaube ich muss brechen.
Heiko: Was steht da? Ich kann das gar nicht mehr lesen.
Christoph: Ich muss mal zum Fenster, ich brauche mehr Luft.
Detlev: Scheiße, ich muss mich noch mal hinsetzen.
Stefan: Hat der Sup uns was in den Kaffee getan? Nee, der liegt ja selber...
Sigmar: Wieso fallen die alle...
Jochen: Was passiert hier?
Elisabeth: „Was ist hier los? Hat einer von euch ein Handy dabei? Ich glaube wir wurden alle vergiftet!“
Norbert: „Oh Gott, Nein!“
Albert: „Ich glaube nicht alle. Nur die Kaffeetrinker.“
Norbert: Gott sei Dank.
Tanja: „Ja, guten Morgen, hier spricht Tanja Wehmeier. Hier im Kreiskirchenamt Tecklenburg scheint eine Massenvergiftung vorzuliegen. Mindestens 15 Leute. Wir vermuten, dass irgendetwas im Kaffee war.“
In Bochum öffnet Jugendreferentin Elena Wilmsmeier ihr E-mail-Postfach. Da gibt es eine Mail mit einem merkwürdigen Betreff: „Stellensicherung durch Theologen-Reduktion“. Sie öffnet die Mail. Im Verteiler stehen sämtliche Kolleginnen und Kollegen des letzten landeskirchlichen Konvents. Absender ist der Synodal-Jugendreferent des Kirchenkreises Tecklenburg.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Die Kirchensteuern steigen. Auch unsere Landeskirche hat mehr Einnahmen denn je. Trotzdem erklärt man uns überall, man könne uns nicht mehr bezahlen. Wir alle wissen woran das liegt. Das Geld verschwindet in dem Fass ohne Boden, das Ruhegehälter für Theologen heißt. Auch wenn die 58er-Regelung nicht mehr greift: Theologen können es sich leisten, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen und Abzüge in Kauf zu nehmen. Dann werden sie besonders alt. Und es wird besonders teuer für die Kirche. Und wir können nichts dagegen tun. Wirklich nichts?
In Tecklenburg sterben 16 Pfarrerinnen und Pfarrer an einer akuten Vergiftung. Trafen sich zur Pfarr-Konferenz. Ja, ich glaube an die Gemeinschaft der Heiligen. Und an die Vergebung der Sünden. Und bis die Toten wieder auferstehen, werden die Kirchensteuermittel für die Lebenden reichen.
Herzliche Grüße,
euer Friedemann Morrell
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Samstag, 20. Mai 2017
Kita-Cluedo – Auflösung – Die Geschichte hinter der Geschichte
c. fabry, 17:09h
Donnerstag, 11.25 Uhr
Ingo Sondermühlen stieg aus seinem weißen Kleinwagen. Der Lack war schadhaft und glanzlos, aber das fiel bei einem weißen Auto nicht so eklatant ins Auge. Er hatte lange überlegt, ob er es wagen sollte. Wenn ihn nun jemand erwischte? Die Kinder nebenan in der Kita waren krakeelend in ihr Spiel vertieft. Immer wieder linste er zu den Fenstern der Nummer 25 herüber, um einen Blick auf Annika zu erhaschen. Dabei ging er möglichst unauffällig auf und ab.
11.45 Uhr
Heute war im Puff nicht viel zu tun. Hatten die am Mittwoch wohl nicht so viel Betrieb. Es war ja auch besonders schönes Wetter und die Leute hatten sich in den Biergärten gedrängt wie Zwiebeln auf dem Acker. Manchmal gab es besonders unappetitliche Flecken, denn manche Freier standen auf Spielchen mit Exkrementen und die Nutten machten nur das Gröbste weg, dafür hatten sie ja schließlich eine Putzfrau. Das war bei dem anderen Anstellungsträger schon angenehmer, auch wenn er nicht so gut zahlte. Ganz früher, da war es noch richtig gut gewesen. Da hatte sie einen Job als Reinigungskraft in ihrer Kirchengemeinde gehabt. Sie hatte Gemeindehaus und Kirche geputzt, der Küster war nur für geistliche Aufgaben zuständig gewesen. Die Kirche hatte sie anständig bezahlt, mit allen Sicherheiten und Zusatzversorgungen. Aber dann war ihnen nach und nach die Kohle ausgegangen. Die Sekretärin hatte ihr gesteckt, dass der Laden nur Pleite ging, weil die viel zu vielen Pfarrer frühzeitig in Rente gingen und dadurch natürlich noch länger lebten und Jahrzehntelang Ruhegehalt kassierten, schon ab 58 und das alles ohne Abzüge. Darum verschwanden nach und nach alle anderen Berufsgruppen aus der Kirche und irgendwann würden die Pfarrer alles allein machen müssen oder es ihren Ehrenamtlichen aufhalsen, bis die auch die Schnauze voll hätten und dann wäre aber so was von Schluss mit lustig. Sie hatten ihr dann diesen Job bei der Service-Abteilung der Diakonie angeboten und sie hatte angenommen, was blieb ihr anderes übrig? Zwei Einsatzorte, täglich geteilter Dienst und viel weniger Lohn, da hatte sie sich dann den Turnhallenjob gesucht und schließlich den besser bezahlten Job im Puff. Hier ließ man sie wenigstens in Ruhe. In der Diakonie stand immer einer hinter ihr und machte Stress. Der Schlimmst von allen war der Chef, dieser Frederking. Wenn er auf seinem lächerlichen Segway die Bielefelder Dorfstraße herunterfuhr, war das schon peinlich genug, aber am lächerlichsten war es, wenn er damit von seinem Büro in den Aufzug fuhr und wenn er Mitarbeitenden begegnete, stieg er nicht ab, sondern blieb auf seinem Sockel stehen und bellte Kommandos oder andere Demütigungen. Sie hatte sich ihm gegenüber immer so ausgeliefert gefühlt in ihrer ohnmächtigen Wut.
Dann, etwa vor einem halben Jahr, hatte sie zufällig ein Video auf Youtube entdeckt: In dem Puff, in dem sie arbeitete, feierten drei Männer ausgelassen mit sechs Nutten eine Champagner-Orgie im Whirlpool: Der Industrielle Auer von der Eurodent, der Oberkirchenfuzzi Schuster und mittendrin Frederking, in einem Arm eine Nutte, im anderen eine Flasche Schampus und das Goldkettchen glitzerte an seinem Hals. Wer auch immer das gefilmt und ins Netz gestellt hatte, hatte sich natürlich strafbar gemacht, aber sie hatte sich das Filmchen gesichert: auf der Festplatte und auf einem Stick. Mit diesem Stick hatte sie Frederking in der Hand. Sie arbeitete nur noch an dem perfekten Plan, wie sie ihn damit erpressen konnte, ohne dass ihr etwas nachzuweisen war und sie stand kurz vor der Lösung des Problems.
12.10 Uhr
Die Erzieherin auf dem Außengelände schien auf ihn aufmerksam geworden zu sein. Ingo Sondermühlen gab sein Vorhaben für heute auf. Annika lief ihm so schnell nicht weg. Er könnte ja am Samstag wieder kommen, dann war kein Betrieb in der Kita, aber immer noch genug Geschäftigkeit auf der Straße.
16.30 Uhr
Frau Ludwig, die gegenüber der Kita wohnt, trank einen Kaffee und guckte aus dem Küchenfenster. Da kam gerade die müde Putzfrau. Der sah man
überdeutlich an, dass sie wirklich gar keine Freude am Leben hatte, dachte Frau Ludwig.
16.36 Uhr
Jennifer Werning war vollkommen fertig mit den Nerven. Schon wieder hatte der Chef sie nicht pünktlich gehen lassen. Er wollte sie damit mürbe machen, damit sie schließlich das Handtuch warf, da war sie sich sicher. Der alte Macho aus dem 20. Jahrhundert wollte keine Mütter in seinem Laden, nur Männer, die sich auf ihre Arbeit konzentrierten, weil sie da ihre Ruhe hatten, statt sich den Herausforderungen des Familienlebens zu stellen. Von den echten Vollzeitarbeitern alter Schule einmal abgesehen hatte er gern knackige, junge Dinger als Mitarbeiterinnen, damit man etwas zu gucken und zu schäkern hatte. So war Jennifer auch vor acht Jahren an den Job gekommen. Jetzt würden die Ladies in der Kita ihr wieder ihre sauertöpfische Mine präsentieren, weil sie nicht pünktlich Feierabend machen konnten. Wie weit dieser Schneeballeffekt wohl reichte? Sie eilte ins Gebäude und sah die alte Schlüter, die sich gerade an ihrem Putzwagen zu schaffen machte. Sie war die Sisyphusarbeit gegen die Diakonie dermaßen leid. Mit dem Essen kamen sie einfach nicht voran und diese schmuddelige Schluderputze wurden sie auch nicht los. Aber heute hatte sie keine Lust, sich mit diesem Haufen Präkariat auseinanderzusetzen. Sie wollte nur noch Lilly abholen und dann nichts wie nach Hause.
16.41 Uhr
Frau Ludwig von gegenüber hatte den Kaffee noch nicht ausgetrunken. Diese Yuppie-Mutti, die gerade zu spät gekommen war, zog jetzt ihre bedauernswerte Tochter hinter sich her.
17.05 Uhr
Regina Heuer atmete tief durch. Sie war freundlich zu Jennifer Werning gewesen, war niemandem auf die Füße getreten und hatte der Schlüter eine deutliche Ansage gemacht. Jetzt wollte sie nur noch ihre Ruhe haben. Sie setzte sich in ihren Wagen und machte sich auf den langen Heimweg.
17.07 Uhr
Frederking stieg auf seinen Segway. Wie schön, dass die Räume der Geschäftsleitung der
Eurodent nur einen knappen Kilometer entfernt lagen. So kam er wenigstens an die frische Luft. Gut gelaunt rauschte er die Bielefelder Dorfstraße hinunter, grüßte flüchtig Bekannte und kam nach wenigen Minuten vor Auers Bürotür an, doch der war nicht da. Hatte ihn sein Rotarier-Kollege doch glatt versetzt. Vielleicht war er ja in ihrem Stammlokal. Frederking rauschte zurück zur Diakonie. Unterwegs genehmigte er sich in einem der zahlreichen Backshops einen Coffee to go. Normalerweise war es seinem Alter nicht unbedingt von Nutzen, den Blutdruck unnötig in die Höhe zu treiben, aber er wollte seinen Feierabend auf besondere Weise beschließen und dazu erwies sich die Wirkung der Betablocker, die er regelmäßig einnahm, als äußerst kontraproduktiv. Nur ein starker Kaffee konnte dieses Ärgernis ausgleichen.
17.20 Uhr
Regina Heuer brauchte zwar nur noch fünf Minuten bis sie zu Hause war, doch beim Blick auf die Tankanzeige stellte sie fest, dass das Benzin zur Neige ging. Sie steuerte die nächste Tankstelle an und befüllte den Wagen. Als sie bezahlen wollte, entdeckte sie, dass sie ihr Portemonnaie nicht dabei hatte. Sicher lag es noch in der Einrichtung. Sie erklärte dem Kassierer ihre missliche Lage, der schrieb sich ihre Nummer auf und willigte ein, dass sie auf dem Rückweg bezahlen konnte. Bei der Rückkehr zur Kita geriet sie in einen hartnäckigen Stau und verfluchte sich selbst für ihre eigene Schusseligkeit.
17.26 Uhr Frederking hatte die letzten unangenehmen Telefongespräche für heute abgearbeitet, den Segway im Büro eingeschlossen und saß in seinem 380er BMW auf dem Weg zum Hexenhaus, seinem Lieblings-Märchenwald für Erwachsene. Für erwachsene Männer. Für erwachsene Männer mit Steherqualitäten. Vielleicht würde er Auer dort antreffen, wenn nicht, auch gut. Angelina wartete sicher schon gut ausgeruht auf ihren Königstiger.
Donnerstag, 17.29 Uhr Langsam, fast in Zeitlupe, schließt Pascal seine Wohnungstür auf. Den heutigen Tag hat er gerettet. Sogar für morgen und übermorgen hat er gesorgt. Vielleicht kümmert er sich übermorgen schon um Nachschub, aber morgen wird er den ganzen Tag zu Hause bleiben und sich einfach bei ein paar Ego Shootern entspannen; es am Samstag vielleicht auch bei ein, zwei Blowjobs belassen. Das heute war wirklich die Hölle. Er war schon leicht auf turkey und seine Sinne hatten sich angefühlt wie Einflugschneisen. Widerlich gestunken hatte der Kerl. Überall in diesem verdammten Auto gab es Stellen, an denen man sich stieß und der Kerl hat eine mächtige Palme gehabt, das war alles andere als schmerzfrei über die Bühne gegangen. Aber er hatte gut gezahlt, das war die Hauptsache. Jetzt hatte er genug Stoff für zwei Tage und um das alles zu vergessen. Er warf sich aufs Bett und gab sich der Wirkung der immer noch recht frisch verabreichten Droge hin. Vor Mitternacht war er kaum ansprechbar.
Donnerstag , 17.34 Uhr
Raimund wunderte sich, warum sich fast eine Stunde, nachdem Daniela die Wohnung verlassen hatte, noch immer keine Ruhe in ihm ausbreiten wollte. Jetzt konnte er nicht einmal mehr abschalten, wenn sie weg war. Wenn er nur an sie dachte, lief ihm die Galle über. Was hatte er nur damals an ihr gefunden? Vermutlich gar nichts, dachte er, sie war einfach die Einzige, die er hatte haben können. Eine Zeitlang war das ja in Ordnung gewesen, aber die letzten fünfzehn Jahre waren die Hölle gewesen und es war in jedem Jahr schlimmer geworden. Es war nicht zum Aushalten. Er musste etwas unternehmen. Er stemmte sich aus dem Sofa, griff zuerst in die Küchenschublade und dann ans Schlüsselbrett. Zum Glück hatte Daniela keinen Führerschein, sonst wäre sie ja jetzt selbst mit dem Auto losgezogen.
Donnerstag, 17.45 Uhr
Frau Ludwig von gegenüber hatte gerade die Wäsche aus der Maschine geholt. Auf dem Weg vom Bad in den Keller kam sie am Flurfenster vorbei und wunderte sich über den älteren Bauarbeiter-Typen, der jetzt noch in die Kita stiefelte. Ließen die etwa die Putzfrau mit den Handwerkern allein? Und welche Firma schickte denn nach Feierabend noch Mitarbeiter vorbei? Aber was ging es sie an? Sie seufzte und ging in den Garten, um die Wäsche aufzuhängen.
Donnerstag 17.46 Uhr
Daniela schmerzte der Rücken. Das tägliche Putzen tat ihr überhaupt nicht gut. Und sie hatte ja noch 15 Jahre bis zur Rente. Ob sie das wohl durchhielt? Plötzlich war der Schmerz einfach nur noch unerträglich. Sie bekam keine Luft mehr, da stimmt etwas nicht. Jemand stand hinter ihr. Sie spürte, wie es warm an ihrem Rücken herunter lief. Mit letzter Kraft sah sie sich um und blickte in ein Gesicht, das ihr vertraut und fremd zugleich vorkam. Raimund, dachte sie noch, dann spürte sie, wie sie der Welt entschwand.
Raimund zog das Fleischmesser wieder heraus. Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich tot war, aber er konnte das auf keinen Fall noch einmal tun. Er ließ die Waffe fallen, streifte geistesgegenwärtig die Handschuhe ab und steckte sie in die Hosentasche. Dann konnte er nicht mehr denken, wollte nur noch weg.
Donnerstag, 18.05 Uhr
Regina Heuer steuerte die Bürotür an und hoffte, dass Daniela Schlüter ihr nicht noch einmal über den Weg lief. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass da irgendetwas nicht stimmte. Da war etwas Großes, das da nicht hingehörte und sich nicht bewegte. Sie wandte den Blick zur Seite und sah Daniela Schlüter blutend am Boden liegen.
Ingo Sondermühlen stieg aus seinem weißen Kleinwagen. Der Lack war schadhaft und glanzlos, aber das fiel bei einem weißen Auto nicht so eklatant ins Auge. Er hatte lange überlegt, ob er es wagen sollte. Wenn ihn nun jemand erwischte? Die Kinder nebenan in der Kita waren krakeelend in ihr Spiel vertieft. Immer wieder linste er zu den Fenstern der Nummer 25 herüber, um einen Blick auf Annika zu erhaschen. Dabei ging er möglichst unauffällig auf und ab.
11.45 Uhr
Heute war im Puff nicht viel zu tun. Hatten die am Mittwoch wohl nicht so viel Betrieb. Es war ja auch besonders schönes Wetter und die Leute hatten sich in den Biergärten gedrängt wie Zwiebeln auf dem Acker. Manchmal gab es besonders unappetitliche Flecken, denn manche Freier standen auf Spielchen mit Exkrementen und die Nutten machten nur das Gröbste weg, dafür hatten sie ja schließlich eine Putzfrau. Das war bei dem anderen Anstellungsträger schon angenehmer, auch wenn er nicht so gut zahlte. Ganz früher, da war es noch richtig gut gewesen. Da hatte sie einen Job als Reinigungskraft in ihrer Kirchengemeinde gehabt. Sie hatte Gemeindehaus und Kirche geputzt, der Küster war nur für geistliche Aufgaben zuständig gewesen. Die Kirche hatte sie anständig bezahlt, mit allen Sicherheiten und Zusatzversorgungen. Aber dann war ihnen nach und nach die Kohle ausgegangen. Die Sekretärin hatte ihr gesteckt, dass der Laden nur Pleite ging, weil die viel zu vielen Pfarrer frühzeitig in Rente gingen und dadurch natürlich noch länger lebten und Jahrzehntelang Ruhegehalt kassierten, schon ab 58 und das alles ohne Abzüge. Darum verschwanden nach und nach alle anderen Berufsgruppen aus der Kirche und irgendwann würden die Pfarrer alles allein machen müssen oder es ihren Ehrenamtlichen aufhalsen, bis die auch die Schnauze voll hätten und dann wäre aber so was von Schluss mit lustig. Sie hatten ihr dann diesen Job bei der Service-Abteilung der Diakonie angeboten und sie hatte angenommen, was blieb ihr anderes übrig? Zwei Einsatzorte, täglich geteilter Dienst und viel weniger Lohn, da hatte sie sich dann den Turnhallenjob gesucht und schließlich den besser bezahlten Job im Puff. Hier ließ man sie wenigstens in Ruhe. In der Diakonie stand immer einer hinter ihr und machte Stress. Der Schlimmst von allen war der Chef, dieser Frederking. Wenn er auf seinem lächerlichen Segway die Bielefelder Dorfstraße herunterfuhr, war das schon peinlich genug, aber am lächerlichsten war es, wenn er damit von seinem Büro in den Aufzug fuhr und wenn er Mitarbeitenden begegnete, stieg er nicht ab, sondern blieb auf seinem Sockel stehen und bellte Kommandos oder andere Demütigungen. Sie hatte sich ihm gegenüber immer so ausgeliefert gefühlt in ihrer ohnmächtigen Wut.
Dann, etwa vor einem halben Jahr, hatte sie zufällig ein Video auf Youtube entdeckt: In dem Puff, in dem sie arbeitete, feierten drei Männer ausgelassen mit sechs Nutten eine Champagner-Orgie im Whirlpool: Der Industrielle Auer von der Eurodent, der Oberkirchenfuzzi Schuster und mittendrin Frederking, in einem Arm eine Nutte, im anderen eine Flasche Schampus und das Goldkettchen glitzerte an seinem Hals. Wer auch immer das gefilmt und ins Netz gestellt hatte, hatte sich natürlich strafbar gemacht, aber sie hatte sich das Filmchen gesichert: auf der Festplatte und auf einem Stick. Mit diesem Stick hatte sie Frederking in der Hand. Sie arbeitete nur noch an dem perfekten Plan, wie sie ihn damit erpressen konnte, ohne dass ihr etwas nachzuweisen war und sie stand kurz vor der Lösung des Problems.
12.10 Uhr
Die Erzieherin auf dem Außengelände schien auf ihn aufmerksam geworden zu sein. Ingo Sondermühlen gab sein Vorhaben für heute auf. Annika lief ihm so schnell nicht weg. Er könnte ja am Samstag wieder kommen, dann war kein Betrieb in der Kita, aber immer noch genug Geschäftigkeit auf der Straße.
16.30 Uhr
Frau Ludwig, die gegenüber der Kita wohnt, trank einen Kaffee und guckte aus dem Küchenfenster. Da kam gerade die müde Putzfrau. Der sah man
überdeutlich an, dass sie wirklich gar keine Freude am Leben hatte, dachte Frau Ludwig.
16.36 Uhr
Jennifer Werning war vollkommen fertig mit den Nerven. Schon wieder hatte der Chef sie nicht pünktlich gehen lassen. Er wollte sie damit mürbe machen, damit sie schließlich das Handtuch warf, da war sie sich sicher. Der alte Macho aus dem 20. Jahrhundert wollte keine Mütter in seinem Laden, nur Männer, die sich auf ihre Arbeit konzentrierten, weil sie da ihre Ruhe hatten, statt sich den Herausforderungen des Familienlebens zu stellen. Von den echten Vollzeitarbeitern alter Schule einmal abgesehen hatte er gern knackige, junge Dinger als Mitarbeiterinnen, damit man etwas zu gucken und zu schäkern hatte. So war Jennifer auch vor acht Jahren an den Job gekommen. Jetzt würden die Ladies in der Kita ihr wieder ihre sauertöpfische Mine präsentieren, weil sie nicht pünktlich Feierabend machen konnten. Wie weit dieser Schneeballeffekt wohl reichte? Sie eilte ins Gebäude und sah die alte Schlüter, die sich gerade an ihrem Putzwagen zu schaffen machte. Sie war die Sisyphusarbeit gegen die Diakonie dermaßen leid. Mit dem Essen kamen sie einfach nicht voran und diese schmuddelige Schluderputze wurden sie auch nicht los. Aber heute hatte sie keine Lust, sich mit diesem Haufen Präkariat auseinanderzusetzen. Sie wollte nur noch Lilly abholen und dann nichts wie nach Hause.
16.41 Uhr
Frau Ludwig von gegenüber hatte den Kaffee noch nicht ausgetrunken. Diese Yuppie-Mutti, die gerade zu spät gekommen war, zog jetzt ihre bedauernswerte Tochter hinter sich her.
17.05 Uhr
Regina Heuer atmete tief durch. Sie war freundlich zu Jennifer Werning gewesen, war niemandem auf die Füße getreten und hatte der Schlüter eine deutliche Ansage gemacht. Jetzt wollte sie nur noch ihre Ruhe haben. Sie setzte sich in ihren Wagen und machte sich auf den langen Heimweg.
17.07 Uhr
Frederking stieg auf seinen Segway. Wie schön, dass die Räume der Geschäftsleitung der
Eurodent nur einen knappen Kilometer entfernt lagen. So kam er wenigstens an die frische Luft. Gut gelaunt rauschte er die Bielefelder Dorfstraße hinunter, grüßte flüchtig Bekannte und kam nach wenigen Minuten vor Auers Bürotür an, doch der war nicht da. Hatte ihn sein Rotarier-Kollege doch glatt versetzt. Vielleicht war er ja in ihrem Stammlokal. Frederking rauschte zurück zur Diakonie. Unterwegs genehmigte er sich in einem der zahlreichen Backshops einen Coffee to go. Normalerweise war es seinem Alter nicht unbedingt von Nutzen, den Blutdruck unnötig in die Höhe zu treiben, aber er wollte seinen Feierabend auf besondere Weise beschließen und dazu erwies sich die Wirkung der Betablocker, die er regelmäßig einnahm, als äußerst kontraproduktiv. Nur ein starker Kaffee konnte dieses Ärgernis ausgleichen.
17.20 Uhr
Regina Heuer brauchte zwar nur noch fünf Minuten bis sie zu Hause war, doch beim Blick auf die Tankanzeige stellte sie fest, dass das Benzin zur Neige ging. Sie steuerte die nächste Tankstelle an und befüllte den Wagen. Als sie bezahlen wollte, entdeckte sie, dass sie ihr Portemonnaie nicht dabei hatte. Sicher lag es noch in der Einrichtung. Sie erklärte dem Kassierer ihre missliche Lage, der schrieb sich ihre Nummer auf und willigte ein, dass sie auf dem Rückweg bezahlen konnte. Bei der Rückkehr zur Kita geriet sie in einen hartnäckigen Stau und verfluchte sich selbst für ihre eigene Schusseligkeit.
17.26 Uhr Frederking hatte die letzten unangenehmen Telefongespräche für heute abgearbeitet, den Segway im Büro eingeschlossen und saß in seinem 380er BMW auf dem Weg zum Hexenhaus, seinem Lieblings-Märchenwald für Erwachsene. Für erwachsene Männer. Für erwachsene Männer mit Steherqualitäten. Vielleicht würde er Auer dort antreffen, wenn nicht, auch gut. Angelina wartete sicher schon gut ausgeruht auf ihren Königstiger.
Donnerstag, 17.29 Uhr Langsam, fast in Zeitlupe, schließt Pascal seine Wohnungstür auf. Den heutigen Tag hat er gerettet. Sogar für morgen und übermorgen hat er gesorgt. Vielleicht kümmert er sich übermorgen schon um Nachschub, aber morgen wird er den ganzen Tag zu Hause bleiben und sich einfach bei ein paar Ego Shootern entspannen; es am Samstag vielleicht auch bei ein, zwei Blowjobs belassen. Das heute war wirklich die Hölle. Er war schon leicht auf turkey und seine Sinne hatten sich angefühlt wie Einflugschneisen. Widerlich gestunken hatte der Kerl. Überall in diesem verdammten Auto gab es Stellen, an denen man sich stieß und der Kerl hat eine mächtige Palme gehabt, das war alles andere als schmerzfrei über die Bühne gegangen. Aber er hatte gut gezahlt, das war die Hauptsache. Jetzt hatte er genug Stoff für zwei Tage und um das alles zu vergessen. Er warf sich aufs Bett und gab sich der Wirkung der immer noch recht frisch verabreichten Droge hin. Vor Mitternacht war er kaum ansprechbar.
Donnerstag , 17.34 Uhr
Raimund wunderte sich, warum sich fast eine Stunde, nachdem Daniela die Wohnung verlassen hatte, noch immer keine Ruhe in ihm ausbreiten wollte. Jetzt konnte er nicht einmal mehr abschalten, wenn sie weg war. Wenn er nur an sie dachte, lief ihm die Galle über. Was hatte er nur damals an ihr gefunden? Vermutlich gar nichts, dachte er, sie war einfach die Einzige, die er hatte haben können. Eine Zeitlang war das ja in Ordnung gewesen, aber die letzten fünfzehn Jahre waren die Hölle gewesen und es war in jedem Jahr schlimmer geworden. Es war nicht zum Aushalten. Er musste etwas unternehmen. Er stemmte sich aus dem Sofa, griff zuerst in die Küchenschublade und dann ans Schlüsselbrett. Zum Glück hatte Daniela keinen Führerschein, sonst wäre sie ja jetzt selbst mit dem Auto losgezogen.
Donnerstag, 17.45 Uhr
Frau Ludwig von gegenüber hatte gerade die Wäsche aus der Maschine geholt. Auf dem Weg vom Bad in den Keller kam sie am Flurfenster vorbei und wunderte sich über den älteren Bauarbeiter-Typen, der jetzt noch in die Kita stiefelte. Ließen die etwa die Putzfrau mit den Handwerkern allein? Und welche Firma schickte denn nach Feierabend noch Mitarbeiter vorbei? Aber was ging es sie an? Sie seufzte und ging in den Garten, um die Wäsche aufzuhängen.
Donnerstag 17.46 Uhr
Daniela schmerzte der Rücken. Das tägliche Putzen tat ihr überhaupt nicht gut. Und sie hatte ja noch 15 Jahre bis zur Rente. Ob sie das wohl durchhielt? Plötzlich war der Schmerz einfach nur noch unerträglich. Sie bekam keine Luft mehr, da stimmt etwas nicht. Jemand stand hinter ihr. Sie spürte, wie es warm an ihrem Rücken herunter lief. Mit letzter Kraft sah sie sich um und blickte in ein Gesicht, das ihr vertraut und fremd zugleich vorkam. Raimund, dachte sie noch, dann spürte sie, wie sie der Welt entschwand.
Raimund zog das Fleischmesser wieder heraus. Er war sich nicht sicher, ob sie wirklich tot war, aber er konnte das auf keinen Fall noch einmal tun. Er ließ die Waffe fallen, streifte geistesgegenwärtig die Handschuhe ab und steckte sie in die Hosentasche. Dann konnte er nicht mehr denken, wollte nur noch weg.
Donnerstag, 18.05 Uhr
Regina Heuer steuerte die Bürotür an und hoffte, dass Daniela Schlüter ihr nicht noch einmal über den Weg lief. Im Augenwinkel bemerkte sie, dass da irgendetwas nicht stimmte. Da war etwas Großes, das da nicht hingehörte und sich nicht bewegte. Sie wandte den Blick zur Seite und sah Daniela Schlüter blutend am Boden liegen.
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