Freitag, 11. Juli 2025
2nd Spoiler 20
c. fabry, 15:36h
1993
Im Herbst des Jahres 1993 schloss Sigrid ihre Ausbildung im Hotelfach erfolgreich ab. Sie gehörte zu den Besten ihres Jahrgangs und erhielt ein Angebot des Ausbilders, im Betrieb zu bleiben – mit den allerbesten Karriereaussichten. Aber Sigrid hatte nach drei Jahren Daueranspannung und permanenten Ausreizens der Belastungsgrenze genug von diesem anspruchsvollen Arbeitsbereich, wo stets ein rauer Ton herrschte und Rücksicht ein Fremdwort war. Die devote Kundenergebenheit gegenüber den finanzstarken Gästen hing ihr zum Hals heraus. Sich für einen Hungerlohn wie eine Sklavin behandeln zu lassen, war unter ihrer Würde. Sie bedankte sich für das Angebot und schlug es aus. Sie habe eines Tages ein Erbe anzutreten und wolle schon heute daran mitwirken, dass es sich auch in Zukunft rentiere.
Dass sie tatsächlich lieber selbst etwas gestalten wollte, statt Befehle auszuführen und dass sie Mutte und Großmutter nicht im Stich lassen wollte, behielt sie für sich, das ging ihren selbstherrlichen Chef nichts an. Sie freute sich auf die neue Aufgabe und umso mehr freuten sich Hildegard und Renate über ihren Entschluss, auch wenn sie heimlich fürchteten, dass eines Tages die Liebe einen Strich durch die Rechnung machen könnte.
Zunächst arbeitete Sigrid sich wieder ein in die zum Teil vergessenen Abläufe, lief mit, tat was zu machen war, funktionierte.
Eines Abends – am Ende eines Ruhetages – trommelte sie Mutter und Großmutter zusammen und erklärte: „Ich glaube, ich bin jetzt ausreichend im Bilde wie die Dinge hier laufen. Aber meine Ausbildung soll ja nicht umsonst gewesen sein. Ich hätte für den Anfang ein paar Vorschläge, die sich schnell umsetzen lassen, aber auch ein paar Investitionen, die sicher anstrengend werden.“
„Lass hören.“, sagte Hildegard.
„Also kurzfristig“, erklärte Sigrid, „würde ich die Speisekarte umstellen. Sachen, die nicht mehr laufen – wie Strammer Max – runternehmen und durch etwas Aktuelleres ersetzen, wie zum Beispiel Croques.“
„Was ist das denn?“, fragte Hildegard entsetzt, die hinter dem fremden Wort eine undefinierbare, kulinarische Beleidigung des guten Geschmacks befürchtete.
„Baguette, längs aufgeschnitten, belegt wie Pizza, mit Käse überbacken. Schnell, knusprig, lecker und total angesagt.
Und wenn Schafmeiers Werner einen Strammen Max haben will, kannst du ihm doch trotzdem einen machen. Graubrot, Butter, Mettwurst und Eier sind ja sowieso im Haus.“
Sigrid schlug außerdem ein paar zeitgemäße Drinks vor und kam dann zum großen Projekt.
„Die Etagen-Badezimmer müssen weg. Wir brauchen Nasszellen auf jedem Zimmer. Das wird allmählich zum Standard und wenn wir da nicht nachrüsten, bleiben uns über kurz oder lang die Gäste weg.“
„Und wie soll das gehen?“, fragte Renate entsetzt. „Wenn wir das nach und nach machen lassen, müssen unsere Gäste Baulärm ertragen. Wenn wir alles auf einmal machen, haben wir monatelang fehlende Einnahmen.“
„Die Handwerker kommen ja nicht nachts.“, beschwichtigte Sigrid sie. „Hier schlafen doch überwiegend Monteure und Geschäftsreisende. Wir können damit werben, dass wir in der Bauphase unseren Kunden preislich entgegenkommen. Das wird manch einer sich überlegen.“
Renate blieb skeptisch, aber Hildegard meinte: „Weißt du was, Sigrid? Du bist die einzige von uns, die das, was wir hier machen, wirklich gelernt hat. Deine Mutter und ich, wir sind nur Amateure. Wenn du sagst, dass wir das machen müssen, dann machen wir das. Ich bin froh, dass du den Gasthof für die Zukunft bereit machen willst, und ich finde, wir sollten dir vertrauen.“
Im Herbst des Jahres 1993 schloss Sigrid ihre Ausbildung im Hotelfach erfolgreich ab. Sie gehörte zu den Besten ihres Jahrgangs und erhielt ein Angebot des Ausbilders, im Betrieb zu bleiben – mit den allerbesten Karriereaussichten. Aber Sigrid hatte nach drei Jahren Daueranspannung und permanenten Ausreizens der Belastungsgrenze genug von diesem anspruchsvollen Arbeitsbereich, wo stets ein rauer Ton herrschte und Rücksicht ein Fremdwort war. Die devote Kundenergebenheit gegenüber den finanzstarken Gästen hing ihr zum Hals heraus. Sich für einen Hungerlohn wie eine Sklavin behandeln zu lassen, war unter ihrer Würde. Sie bedankte sich für das Angebot und schlug es aus. Sie habe eines Tages ein Erbe anzutreten und wolle schon heute daran mitwirken, dass es sich auch in Zukunft rentiere.
Dass sie tatsächlich lieber selbst etwas gestalten wollte, statt Befehle auszuführen und dass sie Mutte und Großmutter nicht im Stich lassen wollte, behielt sie für sich, das ging ihren selbstherrlichen Chef nichts an. Sie freute sich auf die neue Aufgabe und umso mehr freuten sich Hildegard und Renate über ihren Entschluss, auch wenn sie heimlich fürchteten, dass eines Tages die Liebe einen Strich durch die Rechnung machen könnte.
Zunächst arbeitete Sigrid sich wieder ein in die zum Teil vergessenen Abläufe, lief mit, tat was zu machen war, funktionierte.
Eines Abends – am Ende eines Ruhetages – trommelte sie Mutter und Großmutter zusammen und erklärte: „Ich glaube, ich bin jetzt ausreichend im Bilde wie die Dinge hier laufen. Aber meine Ausbildung soll ja nicht umsonst gewesen sein. Ich hätte für den Anfang ein paar Vorschläge, die sich schnell umsetzen lassen, aber auch ein paar Investitionen, die sicher anstrengend werden.“
„Lass hören.“, sagte Hildegard.
„Also kurzfristig“, erklärte Sigrid, „würde ich die Speisekarte umstellen. Sachen, die nicht mehr laufen – wie Strammer Max – runternehmen und durch etwas Aktuelleres ersetzen, wie zum Beispiel Croques.“
„Was ist das denn?“, fragte Hildegard entsetzt, die hinter dem fremden Wort eine undefinierbare, kulinarische Beleidigung des guten Geschmacks befürchtete.
„Baguette, längs aufgeschnitten, belegt wie Pizza, mit Käse überbacken. Schnell, knusprig, lecker und total angesagt.
Und wenn Schafmeiers Werner einen Strammen Max haben will, kannst du ihm doch trotzdem einen machen. Graubrot, Butter, Mettwurst und Eier sind ja sowieso im Haus.“
Sigrid schlug außerdem ein paar zeitgemäße Drinks vor und kam dann zum großen Projekt.
„Die Etagen-Badezimmer müssen weg. Wir brauchen Nasszellen auf jedem Zimmer. Das wird allmählich zum Standard und wenn wir da nicht nachrüsten, bleiben uns über kurz oder lang die Gäste weg.“
„Und wie soll das gehen?“, fragte Renate entsetzt. „Wenn wir das nach und nach machen lassen, müssen unsere Gäste Baulärm ertragen. Wenn wir alles auf einmal machen, haben wir monatelang fehlende Einnahmen.“
„Die Handwerker kommen ja nicht nachts.“, beschwichtigte Sigrid sie. „Hier schlafen doch überwiegend Monteure und Geschäftsreisende. Wir können damit werben, dass wir in der Bauphase unseren Kunden preislich entgegenkommen. Das wird manch einer sich überlegen.“
Renate blieb skeptisch, aber Hildegard meinte: „Weißt du was, Sigrid? Du bist die einzige von uns, die das, was wir hier machen, wirklich gelernt hat. Deine Mutter und ich, wir sind nur Amateure. Wenn du sagst, dass wir das machen müssen, dann machen wir das. Ich bin froh, dass du den Gasthof für die Zukunft bereit machen willst, und ich finde, wir sollten dir vertrauen.“
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