Freitag, 25. Oktober 2024
2nd Spoiler 6
1968

Seit einem Jahr befand sich Renate in Ausbildung zur Konditorin – es gab einen Ausbildungsbetrieb im wenige Kilometer entfernten Spenge. Dieser Beruf war nah genug am Thema Gastronomie, sodass ihre Eltern keine Angst haben mussten, dass sie die letzte Generation im Gasthof waren, aber es kam gleichzeitig Renates wachsendem Rebellentum entgegen, dass sie etwas Anderes und Besonderes lernte. Vielleicht würde sie eines Tages ein Café aus dem Gasthof machen, vielleicht sogar ein angesagtes Musik-Café, in dem statt deutscher Schlager. Marsch- und Volksmusik moderne Popsongs gespielt wurden, beispielsweise von den Beatles oder von Cliff Richard. Von denen hatte Renate alle Schallplatten gesammelt derer sie habhaft werden konnte.

Renate ging auch zur Landjugend. Hildegard hatte durchgesetzt, dass das Mädchen einmal in der Woche zu diesen Treffen gehen durfte und natürlich auch am Wochenende mit feiern durfte, wenn auch nicht so lange. Sie war streitbar und eckte noch immer vielerorts an, aber sie war durchaus attraktiv und so kamen sie und Klaus Tönsing sich näher. Klaus hörte auch gern die Beatles und Cliff Richard und beide hatten eine Leidenschaft fürs Kino. In Spenge liefen die aktuellen Filme und 1968 Western und Science Fiction aus den USA, aber auch deutsche Produktionen wie „Zur Sache Schätzchen“ oder „Oswald Kolle: das Wunder der Liebe“ gehörten zu ihren Erlebnissen.

Klaus spielte Fußball beim SV Häger und Renate stand bei Spielen am Wochenende unter den Zuschauenden und feuerte ihn an. Es war eine junge Liebe wie im Bilderbuch. Das lag aber auch daran, dass Renate trotz ihres rebellischen und impulsiven Wesens an eine Partnerschaft noch gar keine Ansprüche stellte. Es war toll, einen Freund zu haben, mit dem man auf Feten knutschen und eng tanzen konnte, mit dem man ins Kino gehen und den man beim Fußball anfeuern konnte, ohne scheele Blicke zu ernten, denn man gehörte ja zusammen. Klaus war ruhig, freundlich, weder jähzornig noch handgreiflich. Er sah gut aus, war lustig und unterhaltsam. Mehr verlangte sie nicht.

Doch nach einigen Monaten stellten sich die ersten Unstimmigkeiten ein. Renates Schlafzimmer hatte er noch nie von innen gesehen, dass hätte Hildegard niemals zugelassen, er selbst hatte jedoch Eltern, die häufig nicht zu Hause waren und sich bei einem Sohn ohnehin weniger Sorgen machten. Wenn sie bei auf dem Bett lagen, Musik hörten und Zärtlichkeiten austauschten wurde er jedes Mal ein wenig stürmischer. Eine Hand unter der Bluse ließ Renate sich ja noch gefallen, doch als er ihr an den Schlüpfer ging, bekam sie Angst, trotz des Aufklärungsfilms – oder gerade deswegen. Sie wollte es ja auch, aber nicht so schnell. Klaus bekam dann schlechte Laune und fragte, was das denn solle, dafür sei man ja schließlich zusammen.

Renate spürte, dass in Klaus Kopf etwas gründlich falsch lief, aber sie war noch nicht in der Lage, diesen Missstand zu analysieren. Sie zog sich zurück, schützte häusliche Pflichte vor und vertröstete ihn aufs nächste Mal. Mit ihrer Mutter konnte sie sich diesbezüglich nicht beraten und richtig gute Freundinnen hatte sie nicht. Es waren ja allesamt die alten Bekannten aus der Grundschulzeit, sie trug das Bild von der unleidlichen, verletzenden Giftspritze noch stets mit sich herum. Also bereitete sie sich vor auf das Erste Mal, erkundigte sich nach Verhütungsmitteln und wie sie am besten an diese gelangen konnte, ohne dass ihr Eltern jemals etwas davon erfahren würden.

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