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Freitag, 20. September 2024
2nd Spoiler 2
c. fabry, 10:59h
1956
Wer glaubt, die Theke einer Schankstube sei kein Spielplatz für Kinder, befindet sich gewaltig im Irrtum. Renate liebte es, die Biertulpen im Spülbecken über die Bürsten sausen zu lassen oder leere Schnapsflaschen mit Wasser zu füllen, die Dosierhilfe auf den Hals zu schrauben und ihre Präzision beim Befüllen von Pinnchen zu vervolkommnen.
Ihrem Vater Heinrich ging das auf die Nerven. Das Mädchen, das immerzu umständlich vor seinen Füßen herumwerkelte, machte ihn nervös, aber sein Verstand sagte ihm, dass es nichts Besseres für ein Kind gab, als mit der Arbeit der Eltern ganz selbstverständlich aufzuwachsen und durch Versuch und Irrtum oder Gelingen all die kleinen und großen Handgriffe von Grund auf zu lernen. Fehler und Umstände musste man dabei billigend in Kauf nehmen, darum zwang er sich zu Geduld und Freundlichkeit.
Als die Fünfjährige dann aber durch eine ungeschickte Bewegung ein Glas zu Boden fallen ließ, das in tausend kleine Scherben zersprang, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen.
„Kannst du nicht aufpassen?“, brüllte er. „Das ist doch hier kein Sandkasten!“
Er klemmte sich das Kind unter den Arm wie einen Sack Reis und schleppte die weinende Renate in die Privaträume. Dort setzte er sie ab, hob den Zeigefinger und brüllte: „Und hier bleibst du bis die Mama dich holt!“
Dann ließ er das irritierte und eingeschüchterte Mädchen allein zurück.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fand Hildegard ihre Tochter, die zitternd und weinend mitten im Wohnzimmer stand, unter sich eine Pfütze, weil sie vor Angst das Wasser nicht hatte hatte halten können.
„Was ist denn passiert?“, fragte sie und kniete sich fürsorglich vor ihre Tochter.
„Ich hab...ich hab...“, Renate konnte vor Schluchzen kaum sprechen. Hildegard nahm sie auf den Arm und sagte: „Jetzt beruhigst du dich erstmal, ich mach dich sauber und zieh dir trockene Sachen an, dann trinkst du einen Kakao und erzählst mir, was passiert ist.“
Beim versprochenen Kakao berichtete Renate von ihrem Missgeschick und dass der Papa geschimpft habe und sie ins Wohnzimmer getragen und gesagt, dass sie dort auf die Mama warten solle.“
Hildegard zog einen Karton unter dem Sofa hervor. Eigentlich wollte sie ihn erst am Sonntag herausrücken, aber jetzt war dies genau das Richtige für ihre kleine Tochter. Anziehpuppen aus Pappe. Die Kleider und Accessoires wurden mit kleinen Laschen an den Figuren befestigt: einfach, preiswert und faszinierend. Renate war begeistert und strahlte wieder. Als sie ganz im Spiel versunken war, suchte Hildegard ihren Mann auf.
„Heini, du darfst die Renate nicht so einschüchtern, die ist noch zu klein, um das zu verpacken. Eben stand sie heulend und zitternd in der Stube, konnte gar nicht sprechen und hatte sich vor Angst in die Hose gemacht. Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen müssen.“
„Ich weiß.“, sagte Heinrich schuldbewusst. „Ich hatte es eilig und als die Glas kaputt geschmissen hat, ist mir der Draht aus‘er Mütze gegangen. Ich kann dann nicht anders.“
„Dann schick sie am besten gleich weg, bevor dir der Kragen platzt. Nicht, dass dir noch die Hand ausrutscht.“
Heinrich nickte stumm. Er dachte weder pädagogisch noch tiefenpsychologisch, doch er besaß gesunde Instinkte, die ihm sagten, dass Härte keinem Kind guttat.
Wer glaubt, die Theke einer Schankstube sei kein Spielplatz für Kinder, befindet sich gewaltig im Irrtum. Renate liebte es, die Biertulpen im Spülbecken über die Bürsten sausen zu lassen oder leere Schnapsflaschen mit Wasser zu füllen, die Dosierhilfe auf den Hals zu schrauben und ihre Präzision beim Befüllen von Pinnchen zu vervolkommnen.
Ihrem Vater Heinrich ging das auf die Nerven. Das Mädchen, das immerzu umständlich vor seinen Füßen herumwerkelte, machte ihn nervös, aber sein Verstand sagte ihm, dass es nichts Besseres für ein Kind gab, als mit der Arbeit der Eltern ganz selbstverständlich aufzuwachsen und durch Versuch und Irrtum oder Gelingen all die kleinen und großen Handgriffe von Grund auf zu lernen. Fehler und Umstände musste man dabei billigend in Kauf nehmen, darum zwang er sich zu Geduld und Freundlichkeit.
Als die Fünfjährige dann aber durch eine ungeschickte Bewegung ein Glas zu Boden fallen ließ, das in tausend kleine Scherben zersprang, war es um seine Selbstbeherrschung geschehen.
„Kannst du nicht aufpassen?“, brüllte er. „Das ist doch hier kein Sandkasten!“
Er klemmte sich das Kind unter den Arm wie einen Sack Reis und schleppte die weinende Renate in die Privaträume. Dort setzte er sie ab, hob den Zeigefinger und brüllte: „Und hier bleibst du bis die Mama dich holt!“
Dann ließ er das irritierte und eingeschüchterte Mädchen allein zurück.
Nach einer gefühlten Ewigkeit fand Hildegard ihre Tochter, die zitternd und weinend mitten im Wohnzimmer stand, unter sich eine Pfütze, weil sie vor Angst das Wasser nicht hatte hatte halten können.
„Was ist denn passiert?“, fragte sie und kniete sich fürsorglich vor ihre Tochter.
„Ich hab...ich hab...“, Renate konnte vor Schluchzen kaum sprechen. Hildegard nahm sie auf den Arm und sagte: „Jetzt beruhigst du dich erstmal, ich mach dich sauber und zieh dir trockene Sachen an, dann trinkst du einen Kakao und erzählst mir, was passiert ist.“
Beim versprochenen Kakao berichtete Renate von ihrem Missgeschick und dass der Papa geschimpft habe und sie ins Wohnzimmer getragen und gesagt, dass sie dort auf die Mama warten solle.“
Hildegard zog einen Karton unter dem Sofa hervor. Eigentlich wollte sie ihn erst am Sonntag herausrücken, aber jetzt war dies genau das Richtige für ihre kleine Tochter. Anziehpuppen aus Pappe. Die Kleider und Accessoires wurden mit kleinen Laschen an den Figuren befestigt: einfach, preiswert und faszinierend. Renate war begeistert und strahlte wieder. Als sie ganz im Spiel versunken war, suchte Hildegard ihren Mann auf.
„Heini, du darfst die Renate nicht so einschüchtern, die ist noch zu klein, um das zu verpacken. Eben stand sie heulend und zitternd in der Stube, konnte gar nicht sprechen und hatte sich vor Angst in die Hose gemacht. Du hättest mir wenigstens Bescheid sagen müssen.“
„Ich weiß.“, sagte Heinrich schuldbewusst. „Ich hatte es eilig und als die Glas kaputt geschmissen hat, ist mir der Draht aus‘er Mütze gegangen. Ich kann dann nicht anders.“
„Dann schick sie am besten gleich weg, bevor dir der Kragen platzt. Nicht, dass dir noch die Hand ausrutscht.“
Heinrich nickte stumm. Er dachte weder pädagogisch noch tiefenpsychologisch, doch er besaß gesunde Instinkte, die ihm sagten, dass Härte keinem Kind guttat.
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