Freitag, 5. Juli 2024
Spoiler 31 - nichts für Kinder
2016
Die Sache mit Toby hatte immerhin ein Jahr gehalten, dann war er zum Studium nach München gezogen und hatte Schluss gemacht. Viola fühlte sich ausgenutzt, hatte sie ihm doch wenige Wochen zuvor erlaubt, richtig mit ihr zu schlafen. Sie hatte es aufregend gefunden, etwas schmerzhaft, nicht nur beim ersten Mal und auch etwas befremdlich. Als es gerade angefangen hatte, ihr zu gefallen, trennte er sich. Sie war noch viel zu sehr ein Kind und emotional viel zu abhängig von ihm, um ihn als Erfahrung zu verbuchen und einen Haken an die Geschichte zu machen.

Da sie sich gern aufbrezelte, war sie aber schon etlichen gleichaltrigen und älteren Jungen aufgefallen. Auf Scheunen-, Garagen-, und Keller-Partys, zu denen sie gelegentlich eingeladen war, tanzte sie verführerisch und ließ sich bereitwillig auf wilde Knutsch- und Fummelorgien ein.
Dem Fußballverein hatte sie nach der Trennung von Toby bald den Rücken gekehrt und auch Paula hatte vom Mannschaftssport zum Klettern gewechselt, einer Aktivität, zu der sie Viola bisher nicht hatte überreden können, weil die unter erheblicher Höhenangst litt.

Raimunds nächtliche Besuche oder nachmittägliche Grenzüberschreitungen rissen nicht ab und Violas Unmut wuchs, dass sie trotz ihrer vielen kleinen Fluchten aus dem Elternhaus immer wieder die väterlichen Übergriffe zu ertragen hatte. Irgendwann musste er es doch einmal satt haben. Aber er wurde nicht satt.

Im April 2016, mit noch nicht ganz vierzehn Jahren, wurde Viola konfirmiert. Sie entschied sich für ein halbtransparentes, dunkelblaues Chiffonkleid wie viele ihres Jahrgangs, doch an Viola wirkte es nicht so unschuldig wie an den anderen Mädchen.
„Die sieht aus, als wenn sie heute Abend noch arbeiten geht.“, raunte eine missgünstige Mutter und Sigrid Huseman, Paulas Mutter, war erschüttert. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass Violas Auftreten bewusst verführerisch wirkte, auch wenn die abfällige Bemerkung der unsensiblen Mutter vollkommen unangebracht war. Sigrid hatte Viola gern und sorgte sich um sie. Etwas stimmte nicht mit dem Mädchen und sie hatte keine Idee, wie sie ihr helfen konnte.
Auf dem Hof Ramöller wurde im Anschluss an den Gottesdienst ein rauschendes Fest nach allen Regeln des örtlichen Brauchtums gefeiert. Festreden wurden gehalten über den Eintritt in die Welt der Erwachsenen und den Ernst des Lebens. Raimunds Augen ruhten dabei beständig auf seiner Tochter und sie ahnte, dass seine bohrenden Blicke nichts Gutes verhießen.

Er gab den Gutsherrn mit dem Recht auf die erste Nacht. Als Viola sich beharrlich wehrte, schlug er ihr ins Gesicht, sie solle sich nicht so anstellen, meinte er, sie sei längst so weit, das könne er sehen.
Er war stärker und schwerer und das blanke Entsetzen ließ die Tränen versiegen, die sich längst zu einem See angesammelt hatten, der nur darauf wartete in einem gewaltigen Gefühls-Tsunami hervorzubrechen.
„Das bleibt unter uns wie alles andere auch.“, drohte er, bevor er sich in sein eigenes Bett zurück schlich. „Wenn du plauderst, bringt Mama sich um und du kommst ins Heim. Wenn du weiter stillhältst, ist alles gut.“

Nichts war gut in Violas Leben, außer der Freundschaft zu Paula. Sie schlief schlecht, bekam immer häufiger abwertende Kommentare zu hören, wegen ihrer gewagten Aufmachung und ihrer Leichtfertigkeit im Umgang mit Jungen und Männern. Die schulischen Anforderungen erschienen ihr zunehmend schwierig und waren kaum noch zu bewältigen. Da war so vieles in ihrem Kopf, von dem sie nicht wusste, wo es eigentlich hingehörte. Den immer grauenvolleren Gewalttaten ihres Vaters versuchte sie, etwas Positives entgegenzusetzen, indem sie sich auf junge, glatte, gut duftende Teenager einließ, die es noch als Gnade empfanden, wenn sie sie erhörte und zu mehr bereit war als feuchten Küssen und einem Griff unter den Rock. Sie genoss deren Hingabe und vor allem deren Bereitschaft, sich in das zu fügen, was sie vorschlug und nichts zu tun, was sie nicht wollte. Sie verpasste den Kipppunkt, denn nachdem sich ihr sexueller Appetit herumgesprochen hatte, setzten sich Anwärter auf die Liste der Bewerber, auf die sie liebend gern verzichtet hätte. Leider reichte ihre Erfahrung noch nicht aus, um die Spreu rechtzeitig vom Weizen zu trennen und so wurde sie erneut zum Opfer männlicher, sexualisierter Gewalt – nun auch außerhalb ihres Elternhauses.

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