Freitag, 28. Juni 2024
Spoiler 30 - nichts für Kinder
2014
An ihrem zwölften Geburtstag sah Viola kaum noch wie ein Mädchen aus. Körperlich war die Entwicklung zur Frau zwar noch nicht abgeschlossen, wenngleich die Hüften sich rundeten und die Brust sich schon deutlich abzeichnete, aber sie trug Kleidung, Frisur und Make-up nach dem Vorbild amerikanischer Popstars, sehr sexy und hart an der Grenze zum Pornographischen.
Frau Westphal, die immer noch ihre Klassenlehrerin war, hatte ohnmächtig aufgegeben, nachdem Astrid ihr erklärt hatte, dass Viola nun einmal so sei und ihr dieser Look gefiele und schließlich verstoße sie damit ja nicht gegen die Regeln. Für Astrid war die Sache klar: Viola kam früher in die Pubertät als andere Mädchen und hätte dann wohl auch früher damit abgeschlossen. Sie fand es eigentlich äußerst praktisch, dass Viola in den entscheidenden Phasen ihrer Schullaufbahn den Kopf für die wesentlichen Dinge frei haben würde.
Der Familienurlaub im Sommer musste in diesem Jahr ausfallen, stattdessen unternahm die Familie ein paar Ausflüge in die nähere Umgebung, hin und wieder wurde abends gegrillt und die zwei älteren Kinder durften im Garten zelten. In der zweiten Nacht hatte Louis mit Luftnot zu kämpfen. Astrid setzte das Bad unter Dampf und ging mit Louis hinein, bis es ihm wieder besser ging. Raimund schlüpfte zu Viola ins Zelt, angeblich, um sie zu beruhigen. Astrid empfand das als völlig plausibel und sie hegte nicht die Spur eines Zweifels, dass dies allein aus Rücksicht auf das Kindeswohl geschah.
Tatsächlich nutzte er das sichere Zeitfenster für neue erotische Experimente mit seiner zwölfjährigen Tochter. Er hatte sich ein Rollenspiel ausgedacht: Sie beide im Ferienlager, sie sollten sich im Dunkeln gründlich gegenseitig auf Zecken absuchen. Natürlich ließ er es dahingehend eskalieren, sich an der Hand seiner Tochter zu befriedigen. Viola hatte allmählich das Gefühl, ebenfalls keine Luft zu bekommen wie ihr Bruder. Den süßlichen Schweißgeruch ihres Vaters in dem stickigen Zelt konnte sie kaum noch ertragen, ebenso wenig wie seine haarige Haut, das rauhe Gesicht mit dem kratzenden Schnauzbart, das schwere Atmen und die würdelosen Geräusche, die er von sich gab, wenn es aufs Ende zuging. Wie ein sterbendes Schwein, dachte sie. Und das traf ja auch zu. Alle, die lebten, gingen unaufhaltsam auf den Tod zu, alle starben täglich ein bisschen und ein Schwein war er ohne Zweifel, so viel wusste Viola mittlerweile über die Sexualität der Erwachsenen. Sie wusste genau, dass der Vater sich ins Unrecht setzte und sich bekannter Tatstrategien bediente. Aber trotz aller Aufklärung und trotz aller Hilfsangebote war sie nicht in der Lage, sich aus ihrem Leiden zu befreien. Zu groß die Scham, wenn andere davon wussten. Zu groß die Zweifel, dass man ihr wirklich Glauben schenkte. Zu groß die Angst vor der Väterlichen Rache oder sich für den Zerfall der Familie verantwortlich zu fühlen. Sie schämte sich gegenüber ihrer Mutter, die sie auf keinen Fall verletzen wollte.
Sie hatte keine Idee, wie sie sich den Übergriffen durch ihren Vater wirksam entziehen konnte, stattdessen folgte sie einer Intuition, die sie in die Arme ihres Fußballtrainers trieb. Als Elfjährige hatten Paula Husemann und sie sich im Fußballverein angemeldet, mehr aus Neugier, denn aus Begeisterung. Nach den Sommerferien wurde das Training von ein auf zwei Mal wöchentlich hochgefahren und es kam nun auch schon einmal vor, dass zwei Wochenenden im Monat mit Spielen oder Turnieren belegt waren. Viola schwächelte ein wenig in der Abwehr und litt unter den Schmähungen, die sie wegen ihres wiederholten Versagens zu erdulden hatte. Hier kam Toby ins Spiel. Er war neunzehn Jahre alt, sah sehr gut aus, verfügte über einen umwerfenden Charme und trainierte die Mannschaft. Alle Mädchen schwärmten für ihn und er genoss die Resonanz in jeder Minute. Dass er trotz des trainierten Körpers und des gut geschnittenen Gesichtes unter Minderwertigkeitsgefühlen litt, weil die Menschen seiner Altersgruppe ihn nicht ernst nahmen, dass er emotional unreif war für sein Alter und sich vor allem nach Anerkennung und Bewunderung sehnte, fiel den Mädchen noch nicht auf. Sie fanden ihn einfach nett, lustig, cool und wunderschön. Viola ging es da nicht anders und da sie schon länger darin geübt war, männlichen Autoritätspersonen zu schmeicheln, zog sie schon bald Tobys Aufmerksamkeit auf sich. Sie trug ihre Verletztheit durch die zahlreichen Kränkungen deutlich zur Schau und so ging Toby auf sie zu, legte ihr den Arm um die Schultern und schlug Extra-Trainings vor, exklusiv für Viola, freitags abends, dann sei sie auch fit für die Spiele am Wochenende. Für Viola bot sich hier eine Win-win-Situation. Anerkennung in der Gruppe durch Leistungsverbesserung und exklusive Zeit mit Toby, ein Privileg, das sie mit niemandem teilen musste.
Niemand fand etwas verdächtig an dieser Absprache: Violas Eltern lobten Tobys Engagement, Paula freute sich für ihre beste Freundin und die anderen Mädchen wussten gar nichts von diesen Extra-Trainings ebenso wenig wie irgendjemand aus dem Verein, zumal sie bei Toby im Garten stattfanden, der zwar noch bei seinen Eltern lebte, die aber beide freitags sehr lange außer Haus waren.

Tatsächlich konnte Viola ihre Leistungen ein wenig verbessern, das größte Ereignis war für sie jedoch die romantische Seite der regelmäßigen Treffen. Aus scheinbar unbeabsichtigten Berührungen wurden harmlose Vertraulichkeiten. Sie verliebten sich ineinander, Viola auf ihre Art, Toby auf seine und es dauerte nur wenige Wochen, da wurde das Fußballtraining zur Nebensache und Tobys großes Bett zur Insel der Glückseligkeit. Er war überrascht, wie viele Spielarten körperlicher Lust das Mädchen bereits kannte, führte das aber auf die ungezügelte Leidenschaft zurück, die sie für ihn empfand. Viola war gar nicht bewusst, dass sie auf die Erfahrungen mit ihrem Vater zurückgriff, sie genoss einfach den jüngeren, besser riechenden Körper und die respektvolle Art, in der das lustvolle Miteinander Ergebnis eines Dialogs war, ein Wechsel von Aktion und Reaktion, voller gegenseitiger Wertschätzung. Toby wurde ihre Zuflucht und jedes Mal, wenn ihr Peiniger sich über sie hermachte, träumte sie sich in den Arm ihres Trainers.

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