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Sonntag, 5. Mai 2024
Spoiler 23
c. fabry, 18:39h
2000
Die rauschende Millenniumsfeier hatte in der leergeräumten Scheune stattgefunden, dies war eine willkommene Gelegenheit für Raimund gewesen, es allen zu zeigen, und sein neues Heim fand in der Tat viele Bewunderer. Sie hatten viel geschafft in den vergangenen drei Jahren. Die Bauarbeiten waren weitestgehend abgeschlossen, inklusive einer schönen neuen Wohnung für Ingrid in einem separaten Gebäudeteil. Im Haupthaus gab es ausreichend Platz für eine große Familie und an keiner Stelle war Improvisation vonnöten; Raimund hatte mithilfe von Astrids erlesenem Geschmack und einer gewissen Kenntnis der aktuellen Standards für eine moderne Ausstattung gesorgt. Ingrid erkannte ihr Elternhaus kaum wieder, was ihr keine nennenswerten Kopfschmerzen bereitete, denn ihr Zuhause hatte sie niemals als einen behaglichen Ort empfunden.
Jedoch nagte angesichts dieser eleganten, freundlichen Räume der Neid in ihr, dass ihr eine solche Verbesserung in ihrem Leben versagt geblieben war. Ihrem Sohn gönnte sie es von Herzen, nicht aber der angehenden Schwiegertochter, die sich ins gemachte Nest setzte. Dass diese ihre gesamten Ersparnisse in den Umbau investiert hatte, ließ sie nicht gelten, obwohl es sich dabei um eine ansehnliche Summe handelte. Es fiel ihr schwer, loszulassen: die vertraute Umgebung, die Vormachtstellung, die exklusive Beziehung zu ihrem Sohn. Groll machte sich breit in ihr, aber aus Furcht vor öffentlicher Ächtung fügte sie sich in ihr Los, zog in die neue Wohnung und gab sich Mühe, den Blick auf die Vorteile zu richten: es war auch hier alles frisch und hübsch, sie hatte die Ausstattung und Gestaltung selbst ausgesucht, sie musste viel weniger putzen und musste ihr Reich mit niemandem teilen.
Im Mai fand eine Landhochzeit nach allen Regeln des örtlichen Brauchtum statt: Ein Polterabend in der Scheune mit fast zweihundert Gästen, viel Bier, Bratwurst und Salaten, DJ und Polterpaket, laut, wild und bis zum Morgengrauen.
Beide Partner feierten einen Junggesell:innen-Abschied in der Großstadt, die Männer zum Teil auch an der Peripherie, das Brautkleid war sündhaft teuer, geheiratet wurde zuerst auf dem Standesamt im Schloss, danach in der Kirche in Häger und für die große Feier mit etwa Einhundert Gästen wurde ein Saal im nahegelegenen Spenge angemietet.
Dort gab es einen Sektempfang, ein mehrgängiges Menü, Tanz mit Kapelle, schlüpfrige Festreden, noch schlüpfrigere Tanzspiele, das Zerreißen des Schleiers, ein kaltes Buffet um Mitternacht und sehr viel zu trinken.
Eine weitere Tradition durfte nicht fehlen: Die Entführung der Braut, die vom Bräutigam mit einem Kasten Bier wieder ausgelöst werden musste. Drei Mitglieder der Landjugend entführten Astrid nach Häger in den Gasthof Bierhoff. Hier gab es ein großes Hallo, als die Braut an die Theke geführt wurde, bewundernde Blicke, Komplimente und neugierige Nachfragen der Berufstrinker. Astrid war bester Laune und fühlte sich in der Obhut ihrer Entführer bestens aufgehoben.
"Und du heiratest also den perversen Ramöller?", lallte einer der Betrunkenen. "Dassis aber mutig!"
"Wie kommst du darauf, dass Raimund pervers ist?", entgegnete Astrid konsterniert.
"Weiß doch jeder im Dorf.", erklärte der Betrunkene. "Der ist durch sämtliche Betten gerutscht, von denen, die ihn reingelassen haben, und hinterher haben die Bräute erzählt, dass er komische Sachen mit ihnen gemacht hat."
"Hat wohl zu viele Pornos geguckt.", meinte ein anderer.
"Das mit den Mädels machen doch alle in dem Alter.", sagte ein dritter. "Ausprobieren, was man in den Pornos gesehen hat, ist ja normal. Aber die Sache mit den Kindern, die war schon speziell."
"Welche Sache mit welchen Kindern?", fragte nun einer der Brautentführer deutlich verärgert.
"Machte doch damals die Runde.", erklärte der Betrunkene. "Der kleine Ramöller war noch keine achtzehn, aber schon 'ne ausgewachsene Drecksau. Hat Kinder auf‘m Strohboden gezwungen, sich auszuziehen und Schlimmeres verlangt. Die Kinder sind dann nackt abgehauen und die Kleider blieben unauffindbar. Keine Ahnung, was er damit gemacht hat."
"Unsere Angelika hat erzählt, dass er einmal morgens im Schlüpper aus Heikes Zimmer gekommen is' und und nich' mal gegrüßt hat. Und Heike soll danach total durcheinander gewesen sein."
Astrid schwieg betreten. Sie glaubte kein Wort von dem, was die Trinker zu wissen meinten, aber sie fühlte sich unwohl. Einer der Entführer hatte die Auslösung beschleunigt und schon bald kehrte Astrid auf die Feier zurück und wischte das ekelhafte Geschwätz beiseite wie eine lästige Fliege. Dies sollte der schönste Tag in ihrem Leben bleiben.
Das Abenteuer der Ehe begann. Die Hochzeitsreise verschoben sie auf den Spätsommer, zunächst richteten sie sich ein in ihrem gemeinsamen Heim, Raimund sorgte dafür, dass auf dem Hof alles zum Besten stand, Astrid arbeitete weiterhin in der Krankenpflege und Ingrid unterstützte beide bei ihren Aufgaben, so wie es dem allgemeinen Verhaltenskodex entsprach.
Im September ging es für das junge Paar nach Ibiza: Strandleben, gutes Essen, Cocktails, Tanz, Spaziergänge und leidenschaftliche Nächte im Hotelbett. Sie fühlten beide, dass sie angekommen waren.
Die rauschende Millenniumsfeier hatte in der leergeräumten Scheune stattgefunden, dies war eine willkommene Gelegenheit für Raimund gewesen, es allen zu zeigen, und sein neues Heim fand in der Tat viele Bewunderer. Sie hatten viel geschafft in den vergangenen drei Jahren. Die Bauarbeiten waren weitestgehend abgeschlossen, inklusive einer schönen neuen Wohnung für Ingrid in einem separaten Gebäudeteil. Im Haupthaus gab es ausreichend Platz für eine große Familie und an keiner Stelle war Improvisation vonnöten; Raimund hatte mithilfe von Astrids erlesenem Geschmack und einer gewissen Kenntnis der aktuellen Standards für eine moderne Ausstattung gesorgt. Ingrid erkannte ihr Elternhaus kaum wieder, was ihr keine nennenswerten Kopfschmerzen bereitete, denn ihr Zuhause hatte sie niemals als einen behaglichen Ort empfunden.
Jedoch nagte angesichts dieser eleganten, freundlichen Räume der Neid in ihr, dass ihr eine solche Verbesserung in ihrem Leben versagt geblieben war. Ihrem Sohn gönnte sie es von Herzen, nicht aber der angehenden Schwiegertochter, die sich ins gemachte Nest setzte. Dass diese ihre gesamten Ersparnisse in den Umbau investiert hatte, ließ sie nicht gelten, obwohl es sich dabei um eine ansehnliche Summe handelte. Es fiel ihr schwer, loszulassen: die vertraute Umgebung, die Vormachtstellung, die exklusive Beziehung zu ihrem Sohn. Groll machte sich breit in ihr, aber aus Furcht vor öffentlicher Ächtung fügte sie sich in ihr Los, zog in die neue Wohnung und gab sich Mühe, den Blick auf die Vorteile zu richten: es war auch hier alles frisch und hübsch, sie hatte die Ausstattung und Gestaltung selbst ausgesucht, sie musste viel weniger putzen und musste ihr Reich mit niemandem teilen.
Im Mai fand eine Landhochzeit nach allen Regeln des örtlichen Brauchtum statt: Ein Polterabend in der Scheune mit fast zweihundert Gästen, viel Bier, Bratwurst und Salaten, DJ und Polterpaket, laut, wild und bis zum Morgengrauen.
Beide Partner feierten einen Junggesell:innen-Abschied in der Großstadt, die Männer zum Teil auch an der Peripherie, das Brautkleid war sündhaft teuer, geheiratet wurde zuerst auf dem Standesamt im Schloss, danach in der Kirche in Häger und für die große Feier mit etwa Einhundert Gästen wurde ein Saal im nahegelegenen Spenge angemietet.
Dort gab es einen Sektempfang, ein mehrgängiges Menü, Tanz mit Kapelle, schlüpfrige Festreden, noch schlüpfrigere Tanzspiele, das Zerreißen des Schleiers, ein kaltes Buffet um Mitternacht und sehr viel zu trinken.
Eine weitere Tradition durfte nicht fehlen: Die Entführung der Braut, die vom Bräutigam mit einem Kasten Bier wieder ausgelöst werden musste. Drei Mitglieder der Landjugend entführten Astrid nach Häger in den Gasthof Bierhoff. Hier gab es ein großes Hallo, als die Braut an die Theke geführt wurde, bewundernde Blicke, Komplimente und neugierige Nachfragen der Berufstrinker. Astrid war bester Laune und fühlte sich in der Obhut ihrer Entführer bestens aufgehoben.
"Und du heiratest also den perversen Ramöller?", lallte einer der Betrunkenen. "Dassis aber mutig!"
"Wie kommst du darauf, dass Raimund pervers ist?", entgegnete Astrid konsterniert.
"Weiß doch jeder im Dorf.", erklärte der Betrunkene. "Der ist durch sämtliche Betten gerutscht, von denen, die ihn reingelassen haben, und hinterher haben die Bräute erzählt, dass er komische Sachen mit ihnen gemacht hat."
"Hat wohl zu viele Pornos geguckt.", meinte ein anderer.
"Das mit den Mädels machen doch alle in dem Alter.", sagte ein dritter. "Ausprobieren, was man in den Pornos gesehen hat, ist ja normal. Aber die Sache mit den Kindern, die war schon speziell."
"Welche Sache mit welchen Kindern?", fragte nun einer der Brautentführer deutlich verärgert.
"Machte doch damals die Runde.", erklärte der Betrunkene. "Der kleine Ramöller war noch keine achtzehn, aber schon 'ne ausgewachsene Drecksau. Hat Kinder auf‘m Strohboden gezwungen, sich auszuziehen und Schlimmeres verlangt. Die Kinder sind dann nackt abgehauen und die Kleider blieben unauffindbar. Keine Ahnung, was er damit gemacht hat."
"Unsere Angelika hat erzählt, dass er einmal morgens im Schlüpper aus Heikes Zimmer gekommen is' und und nich' mal gegrüßt hat. Und Heike soll danach total durcheinander gewesen sein."
Astrid schwieg betreten. Sie glaubte kein Wort von dem, was die Trinker zu wissen meinten, aber sie fühlte sich unwohl. Einer der Entführer hatte die Auslösung beschleunigt und schon bald kehrte Astrid auf die Feier zurück und wischte das ekelhafte Geschwätz beiseite wie eine lästige Fliege. Dies sollte der schönste Tag in ihrem Leben bleiben.
Das Abenteuer der Ehe begann. Die Hochzeitsreise verschoben sie auf den Spätsommer, zunächst richteten sie sich ein in ihrem gemeinsamen Heim, Raimund sorgte dafür, dass auf dem Hof alles zum Besten stand, Astrid arbeitete weiterhin in der Krankenpflege und Ingrid unterstützte beide bei ihren Aufgaben, so wie es dem allgemeinen Verhaltenskodex entsprach.
Im September ging es für das junge Paar nach Ibiza: Strandleben, gutes Essen, Cocktails, Tanz, Spaziergänge und leidenschaftliche Nächte im Hotelbett. Sie fühlten beide, dass sie angekommen waren.
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