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Freitag, 17. Juni 2022
Vier Käse - Teil I - Der Mozzarella
c. fabry, 15:46h
Giulia wischte sich die feuchten Hände an der Schürze ab. Phantastisch. Die Caprese-Platten strahlten verführerisch in den Farben der Trikolore, auf dem Herd blubberte das aromatische Ragout und der der große Wassertopf für die Pasta war bereits aufgesetzt. Die Pasqualina war im Ofen und das Tiramisù im Kühlschrank. Ihre Mutter hätte sie geohrfeigt für so ein phantasieloses Menü, aber ihre Kunstfertigkeiten hatten stets in anderen Bereichen gelegen und meistens ließ sie etwas kommen oder ging essen oder machte etwas, das schnell und einfach ging. So blieb mehr Zeit für die wesentlichen Dinge des Lebens.
Es klingelte an der Tür. Als sie öffnete, stand da Paolo mit Livia und der kleinen Luisa. Strahlend umarmte sie Sohn, Schwiegertochter und Enkelin. "Ciao, Ihr Süßen, Ihr seid die ersten. Kommt rein."
Livia erwiderte die Umarmung kaum, steif wie ein Brett wandte sie sich ab. Irgendwie wurden sie nicht warm miteinander, aber die Kleine war reizend.
Als nächstes kam Veronica, die Älteste, alleinstehend und übellaunig wie immer. Seit Franco nicht mehr lebte, war sie noch unausstehlicher geworden. Schade - dachte Giulia - dass sie nicht zufällig auf Forschungsreise ist, dann hätten wir es heute richtig nett miteinander.
"Gianluigi", rief Giulia. "Die ersten sind da, komm aus deiner Höhle."
Ihr Jüngster war erst sechzehn und litt seit drei Jahren unter dem Verlust seines Vaters. Irgendwie schien er es seiner Mutter übel zu nehmen, dass sie als Witwe regelrecht aufblühte.
Luca kam mit Matilda, beide lebenslustig und unkompliziert und stets zu Scherzen aufgelegt. Warum konnten nicht alle ihre Kinder so sein?
Angelina und Rosario waren wieder einmal die letzten. Die jüngere ihrer beiden Töchter hatte noch nie irgendeinen Zeitplan einhalten können, darum hatte sie es auch nicht weit gebracht, arbeitete als Näherin in einer Kleidermanufaktur und hatte sich mit einem Fabrikarbeiter zusammengetan. Gut, er machte Käse und hatte kein Maschinenöl unter den Nägeln, aber es ging Giulia auf die Nerven, dass er sich immer aufführte wie ein Sommelier der Spitzenklasse, während er nichts weiter war, als ein angelernter Produktionsarbeiter.
"Und ihr zwei?", fragte sie, "Überstunden für die Ostertorten und Festtagsblüschen?"
"Wenigstens üben wir beide ein ehrliches Handwerk aus.", erwiderte Rosario trocken.
Gianluigi, das Nesthäkchen sah in die Runde und und grinste schief. "Gibt wohl Tote, heute Abend. Aber ist ja Ostern, da stehen die Toten ja wieder auf."
Luca verpasste seinem kleinen Bruder eine Kopfnuss.
Livia nahm einen Schluck vom Aperitif. Dann sagte sie nur einen einzigen Satz: "Kindermund tut Wahrheit kund."
Die Familie versammelte sich um den Tisch. Giulia nahm am Kopfende Platz, der Stuhl am anderen Ende der Tafel blieb leer, das behielten sie bei, seit Franco gestorben war, Giulia hielt stets die Formalitäten bei, damit ihr niemand einen Vorwurf machen konnte. Töchter und Schwiegertöchter trugen die Antipasti herein, herrlich aufwändige Köstlichkeiten hatten sie mitgebracht, doch Giulia hatte im Vorfeld dafür gesorgt, dass ihre Caprese das optische Zentrum der Tafel bildete. Die Mozzarella-Scheiben glänzten vor Öl und ihr strahlendes Weiß zwischen den frühlingsgrünen Basilikumblättern und den blutroten Tomaten erschien wie eine Allegorie der schwindenden Jugend, der befleckten Unschuld, der flüchtigen, zeitig dahinwelkenden Frische, der saftigen Reife als letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Verfall.
Luca biss in ein Päckchen der mütterlichen Vorspeise und das flüssige Innenleben der Tomatenscheibe tropfte auf sein Kinn.
"Passt zu dir", sagte Veronica. "Ein Vampir warst du eigentlich schon immer."
Fortsetzung folgt
Es klingelte an der Tür. Als sie öffnete, stand da Paolo mit Livia und der kleinen Luisa. Strahlend umarmte sie Sohn, Schwiegertochter und Enkelin. "Ciao, Ihr Süßen, Ihr seid die ersten. Kommt rein."
Livia erwiderte die Umarmung kaum, steif wie ein Brett wandte sie sich ab. Irgendwie wurden sie nicht warm miteinander, aber die Kleine war reizend.
Als nächstes kam Veronica, die Älteste, alleinstehend und übellaunig wie immer. Seit Franco nicht mehr lebte, war sie noch unausstehlicher geworden. Schade - dachte Giulia - dass sie nicht zufällig auf Forschungsreise ist, dann hätten wir es heute richtig nett miteinander.
"Gianluigi", rief Giulia. "Die ersten sind da, komm aus deiner Höhle."
Ihr Jüngster war erst sechzehn und litt seit drei Jahren unter dem Verlust seines Vaters. Irgendwie schien er es seiner Mutter übel zu nehmen, dass sie als Witwe regelrecht aufblühte.
Luca kam mit Matilda, beide lebenslustig und unkompliziert und stets zu Scherzen aufgelegt. Warum konnten nicht alle ihre Kinder so sein?
Angelina und Rosario waren wieder einmal die letzten. Die jüngere ihrer beiden Töchter hatte noch nie irgendeinen Zeitplan einhalten können, darum hatte sie es auch nicht weit gebracht, arbeitete als Näherin in einer Kleidermanufaktur und hatte sich mit einem Fabrikarbeiter zusammengetan. Gut, er machte Käse und hatte kein Maschinenöl unter den Nägeln, aber es ging Giulia auf die Nerven, dass er sich immer aufführte wie ein Sommelier der Spitzenklasse, während er nichts weiter war, als ein angelernter Produktionsarbeiter.
"Und ihr zwei?", fragte sie, "Überstunden für die Ostertorten und Festtagsblüschen?"
"Wenigstens üben wir beide ein ehrliches Handwerk aus.", erwiderte Rosario trocken.
Gianluigi, das Nesthäkchen sah in die Runde und und grinste schief. "Gibt wohl Tote, heute Abend. Aber ist ja Ostern, da stehen die Toten ja wieder auf."
Luca verpasste seinem kleinen Bruder eine Kopfnuss.
Livia nahm einen Schluck vom Aperitif. Dann sagte sie nur einen einzigen Satz: "Kindermund tut Wahrheit kund."
Die Familie versammelte sich um den Tisch. Giulia nahm am Kopfende Platz, der Stuhl am anderen Ende der Tafel blieb leer, das behielten sie bei, seit Franco gestorben war, Giulia hielt stets die Formalitäten bei, damit ihr niemand einen Vorwurf machen konnte. Töchter und Schwiegertöchter trugen die Antipasti herein, herrlich aufwändige Köstlichkeiten hatten sie mitgebracht, doch Giulia hatte im Vorfeld dafür gesorgt, dass ihre Caprese das optische Zentrum der Tafel bildete. Die Mozzarella-Scheiben glänzten vor Öl und ihr strahlendes Weiß zwischen den frühlingsgrünen Basilikumblättern und den blutroten Tomaten erschien wie eine Allegorie der schwindenden Jugend, der befleckten Unschuld, der flüchtigen, zeitig dahinwelkenden Frische, der saftigen Reife als letztes Aufbäumen vor dem endgültigen Verfall.
Luca biss in ein Päckchen der mütterlichen Vorspeise und das flüssige Innenleben der Tomatenscheibe tropfte auf sein Kinn.
"Passt zu dir", sagte Veronica. "Ein Vampir warst du eigentlich schon immer."
Fortsetzung folgt
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