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Freitag, 7. Januar 2022
Die Schönste
c. fabry, 12:26h
Es war einmal an einem fernen Fürstenhof in einem Land, das weder ruhmreich noch von trauriger Berühmtheit war, eine kleine, junge Familie: Der Fürst, die Fürstin und ihre kleine Tochter. Das Mädchen war ihr Sonnenschein, ihr Herzblatt, ihre Schönste, ihre Einzige, ihr ganzer Stolz.
Im Frühling ließ die Mutter ihr die schönsten Kleider nähen und der Vater tanzte mit ihr singend durch den Schlossgarten.
Im Sommer fütterte die Fürstin sie mit köstlichen Beeren und flocht ihr Blumen ins Haar, der Fürst aber ritt mit ihr zum Baden an den nahen Weiher.
Im Herbst sammelte die Mutter allerlei Nüsschen und Trockenblumen mit ihr, um gemeinsam lauter schöne Dinge zu basteln, die bis zum Winter im großen Spielzimmer der Fürstentochter das Herz des Mädchens erfreuten, und der Vater lief mit ihr durch Wald und Wiesen und sie traten kraftvoll ins Laub, sodass es aufwirbelte und wieder auf sie herabregnete.
Im Winter erzählte die Mutter spannende Geschichten am prasselnden Kaminfeuer und es gab Zuckerwerk zu naschen und warmen Apfelsaft. Der Vater baute mit ihr Figuren aus Schnee und wenn der Weiher zufror, gingen beide Eltern mit ihr zum Schlindern auf das blanke Eis.
Zum Weihnachtsfest wurde sie fürstlich beschenkt mit dem herrlichsten Spielzeug, genauso wie zu ihrem Namenstag. Ein fröhlich lachendes Kind war sie, voller Liebreiz, und kein Tag verging, an dem ihre Eltern nicht zeigten, dass sie sie von Herzen liebten.
Im Frühling nach ihrem vierten Wiegenfest wurde den Eltern ein weiteres Mädchen geboren. Nun, da es eine kleine Schwester gab, fehlte den Eltern die Zeit für ihre Erstgeborene. Statt luftiger neuer Frühlingskleidchen ließ die Mutter Kleidchen, Jäckchen und Mützchen in allen erdenklichen Farben und Formen für das neue Mädchen nähen und wenn sie nicht schlief, so lag das Schwesterchen an ihrer Brust oder wurde durch den Schlosspark gefahren oder herumgetragen. Auch der Fürst hatte nur noch Augen für das Neugeborene und schließlich nahm das kleine Mädchen das Wangenrotpulver ihrer Mutter und rieb sich das ganze Gesicht damit ein, denn sie dachte, wenn sie so viel von dem roten Pulver nahm, von dem die Mama ganz schön wurde, dann würde sie so unsagbar schön, dass Mutter und Vater sie wieder ansehen und liebhaben würden.
Doch sie schimpften nur schrecklich mit ihr, ließen ihr das Gesicht mit der Wurzelbürste schrubben, so dass es furchtbar brannte und schickten sie ohne Abendessen ins Bett.
Oh wie war sie da wütend auf die kleine Schwester, die ihr alles genommen hatte, was ihr im Leben Freude machte.
Sie freute sich auf den Sommer, doch zum Beeren pflücken blieb keine Zeit und am Weiher wurde nicht mehr gebadet, weil das kleine Kindchen nicht auf dem Pferd herumgeschüttelt werden durfte und der Fußweg zu lange dauerte. So ging es weiter und weiter und als das Weihnachtsfest kam, hatte sie schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass es irgendwann wieder besser würde. Die Großmutter kam zu Besuch und staunte genauso über das neue kleine Mädchen wie schon so viele Besucher zuvor. Doch als es zur Bescherung in die Weihnachtsstube ging, nahm sie die Älteste beiseite und raunte ihr zu: ?Du warst aber ein viel, viel schöneres Kindchen, als du auf die Welt kamst und dazu bist du jeden Tag schöner geworden. Du wirst immer größer und schöner sein als deine hutzelige, kleine Schwester, aber das bleibt unser Geheimnis. Die Hauptsache ist doch, dass du es weißt und dass ich es weiß. Wir beide, wir wissen Bescheid.?
Dabei lächelte die Großmutter verschmitzt und das kleine Mädchen schritt stolz und glücklich in die Weihnachtsstube. Fortan war das erste, das sie jeden Morgen dachte, wenn sie die Augen aufschlug: ?Ich bin die Größte und die Schönste und mein Schwesterlein ist nichts als ein hutzliges Kindchen und wird nie so groß und schön sein wie ich.?
Ein weiteres Jahr zog ins Land und die kleine Schwester wurde größer und schöner, fing an zu laufen und sprechen, doch sie blieb immer die Kleinere, Ungeschicktere und Unansehnlichere. Und als sie selbst laufen und sprechen konnte, war da auch wieder Zeit zum Blumen flechten, baden und Herbstlaub treten, nur eben mit der kleinen Schwester dabei.
Es wurde Sommer und wieder kam ein Kind zur Welt. Diesmal war es ein Brüderchen. Zuerst dachte die schöne Fürstentochter, das sei weniger schlimm, kein liebliches Mädchen, das ihr erneut die Liebe der Eltern streitig machte, ein Junge, ein raues Wesen, dem niemand schöne Kleider nähen musste, aber der Junge stellte sogar die kleine Schwester in den Schatten. Die nahm es gleichmütig auf, kannte sie es doch nicht anders als dass da noch ein anderes Kind war. Unsere Fürstentochter hingegen war zutiefst entsetzt, als sie feststellen musste, dass es mit dem Jungen noch schlimmer wurde. Sogar die Großmutter raunte ihr beim nächsten Weihnachtsfest keine Geheimnisse mehr zu. Alle schwärmten nur noch vom Stammhalter, vom Erben und von seinen blanken Augen.
Sie hoffte, er würde für die Erwachsenen genauso seinen Reiz verlieren wie die kleine Schwester, doch als er endlich laufen und sprechen konnte, galten alle Augen und Ohren ihm. Seine Wünsche waren Befehl, seine Streiche eine einzige Freude.
Im Herbst kam wieder ein Schwesterchen zur Welt. Sie war ganz anders als ihre älteren Geschwister, viel zu niedlich und als sie heranwuchs, stellte sich heraus, dass sie singen und tanzen konnte wie eine Elfe. Doch die Älteste hatte bald heraus, dass sie ein einfältiges Mädchen war. Niedlich, gutherzig, aber strunzdumm. Es war leicht, sie klein zu halten und dafür zu sorgen, dass aus ihr keine wahre Schönheit wurde. Sie dünnte ihr das Haar mit der Brennschere aus, verführte sie, sich mit süßen Leckereien vollzustopfen, damit sie rund und fett wurde und verleitete sie stets zu Spielen, bei denen sie sich schmutzig machte, ganz besonders im Gesicht.
Alle vier Kinder wuchsen heran und schließlich ließen die kleinen Schwestern sich nicht mehr ohne weiteres von der Ältesten in den Schatten stellen, aber sie blieb dabei: Sie war die Erste, die Einzige und die Schönste und darum gebührte ihr auch der beste Mann von allen. Keiner war gut genug für sie und so heiratete die Zweitgeborene zuerst einen stattlichen Fürstensohn aus dem Nachbarreich und die Jüngste wurde bald danach Königin eines lieblichen Königreichs im Süden, klein aber wohlhabend und friedvoll. Die Älteste war schon fast über der Zeit als sie endlich einen König fand, der ihr genügte, einen Witwer mit einer einzigen Tochter, blass und dunkelhaarig und unscheinbar. Dort in diesem riesigen Reich hoch im Norden konnte keine sie an Liebreiz überbieten und endlich war sie die Schönste im ganzen Land und nicht einer zog das in Zweifel. Einige Jahre lang.
Es nahm kein gutes Ende mit ihr. Es geht die Kunde, sie habe auf der Hochzeit ihrer Stieftochter in glühenden Pantoffeln tanzen müssen, bis sie tot umfiel.
Im Frühling ließ die Mutter ihr die schönsten Kleider nähen und der Vater tanzte mit ihr singend durch den Schlossgarten.
Im Sommer fütterte die Fürstin sie mit köstlichen Beeren und flocht ihr Blumen ins Haar, der Fürst aber ritt mit ihr zum Baden an den nahen Weiher.
Im Herbst sammelte die Mutter allerlei Nüsschen und Trockenblumen mit ihr, um gemeinsam lauter schöne Dinge zu basteln, die bis zum Winter im großen Spielzimmer der Fürstentochter das Herz des Mädchens erfreuten, und der Vater lief mit ihr durch Wald und Wiesen und sie traten kraftvoll ins Laub, sodass es aufwirbelte und wieder auf sie herabregnete.
Im Winter erzählte die Mutter spannende Geschichten am prasselnden Kaminfeuer und es gab Zuckerwerk zu naschen und warmen Apfelsaft. Der Vater baute mit ihr Figuren aus Schnee und wenn der Weiher zufror, gingen beide Eltern mit ihr zum Schlindern auf das blanke Eis.
Zum Weihnachtsfest wurde sie fürstlich beschenkt mit dem herrlichsten Spielzeug, genauso wie zu ihrem Namenstag. Ein fröhlich lachendes Kind war sie, voller Liebreiz, und kein Tag verging, an dem ihre Eltern nicht zeigten, dass sie sie von Herzen liebten.
Im Frühling nach ihrem vierten Wiegenfest wurde den Eltern ein weiteres Mädchen geboren. Nun, da es eine kleine Schwester gab, fehlte den Eltern die Zeit für ihre Erstgeborene. Statt luftiger neuer Frühlingskleidchen ließ die Mutter Kleidchen, Jäckchen und Mützchen in allen erdenklichen Farben und Formen für das neue Mädchen nähen und wenn sie nicht schlief, so lag das Schwesterchen an ihrer Brust oder wurde durch den Schlosspark gefahren oder herumgetragen. Auch der Fürst hatte nur noch Augen für das Neugeborene und schließlich nahm das kleine Mädchen das Wangenrotpulver ihrer Mutter und rieb sich das ganze Gesicht damit ein, denn sie dachte, wenn sie so viel von dem roten Pulver nahm, von dem die Mama ganz schön wurde, dann würde sie so unsagbar schön, dass Mutter und Vater sie wieder ansehen und liebhaben würden.
Doch sie schimpften nur schrecklich mit ihr, ließen ihr das Gesicht mit der Wurzelbürste schrubben, so dass es furchtbar brannte und schickten sie ohne Abendessen ins Bett.
Oh wie war sie da wütend auf die kleine Schwester, die ihr alles genommen hatte, was ihr im Leben Freude machte.
Sie freute sich auf den Sommer, doch zum Beeren pflücken blieb keine Zeit und am Weiher wurde nicht mehr gebadet, weil das kleine Kindchen nicht auf dem Pferd herumgeschüttelt werden durfte und der Fußweg zu lange dauerte. So ging es weiter und weiter und als das Weihnachtsfest kam, hatte sie schon fast die Hoffnung aufgegeben, dass es irgendwann wieder besser würde. Die Großmutter kam zu Besuch und staunte genauso über das neue kleine Mädchen wie schon so viele Besucher zuvor. Doch als es zur Bescherung in die Weihnachtsstube ging, nahm sie die Älteste beiseite und raunte ihr zu: ?Du warst aber ein viel, viel schöneres Kindchen, als du auf die Welt kamst und dazu bist du jeden Tag schöner geworden. Du wirst immer größer und schöner sein als deine hutzelige, kleine Schwester, aber das bleibt unser Geheimnis. Die Hauptsache ist doch, dass du es weißt und dass ich es weiß. Wir beide, wir wissen Bescheid.?
Dabei lächelte die Großmutter verschmitzt und das kleine Mädchen schritt stolz und glücklich in die Weihnachtsstube. Fortan war das erste, das sie jeden Morgen dachte, wenn sie die Augen aufschlug: ?Ich bin die Größte und die Schönste und mein Schwesterlein ist nichts als ein hutzliges Kindchen und wird nie so groß und schön sein wie ich.?
Ein weiteres Jahr zog ins Land und die kleine Schwester wurde größer und schöner, fing an zu laufen und sprechen, doch sie blieb immer die Kleinere, Ungeschicktere und Unansehnlichere. Und als sie selbst laufen und sprechen konnte, war da auch wieder Zeit zum Blumen flechten, baden und Herbstlaub treten, nur eben mit der kleinen Schwester dabei.
Es wurde Sommer und wieder kam ein Kind zur Welt. Diesmal war es ein Brüderchen. Zuerst dachte die schöne Fürstentochter, das sei weniger schlimm, kein liebliches Mädchen, das ihr erneut die Liebe der Eltern streitig machte, ein Junge, ein raues Wesen, dem niemand schöne Kleider nähen musste, aber der Junge stellte sogar die kleine Schwester in den Schatten. Die nahm es gleichmütig auf, kannte sie es doch nicht anders als dass da noch ein anderes Kind war. Unsere Fürstentochter hingegen war zutiefst entsetzt, als sie feststellen musste, dass es mit dem Jungen noch schlimmer wurde. Sogar die Großmutter raunte ihr beim nächsten Weihnachtsfest keine Geheimnisse mehr zu. Alle schwärmten nur noch vom Stammhalter, vom Erben und von seinen blanken Augen.
Sie hoffte, er würde für die Erwachsenen genauso seinen Reiz verlieren wie die kleine Schwester, doch als er endlich laufen und sprechen konnte, galten alle Augen und Ohren ihm. Seine Wünsche waren Befehl, seine Streiche eine einzige Freude.
Im Herbst kam wieder ein Schwesterchen zur Welt. Sie war ganz anders als ihre älteren Geschwister, viel zu niedlich und als sie heranwuchs, stellte sich heraus, dass sie singen und tanzen konnte wie eine Elfe. Doch die Älteste hatte bald heraus, dass sie ein einfältiges Mädchen war. Niedlich, gutherzig, aber strunzdumm. Es war leicht, sie klein zu halten und dafür zu sorgen, dass aus ihr keine wahre Schönheit wurde. Sie dünnte ihr das Haar mit der Brennschere aus, verführte sie, sich mit süßen Leckereien vollzustopfen, damit sie rund und fett wurde und verleitete sie stets zu Spielen, bei denen sie sich schmutzig machte, ganz besonders im Gesicht.
Alle vier Kinder wuchsen heran und schließlich ließen die kleinen Schwestern sich nicht mehr ohne weiteres von der Ältesten in den Schatten stellen, aber sie blieb dabei: Sie war die Erste, die Einzige und die Schönste und darum gebührte ihr auch der beste Mann von allen. Keiner war gut genug für sie und so heiratete die Zweitgeborene zuerst einen stattlichen Fürstensohn aus dem Nachbarreich und die Jüngste wurde bald danach Königin eines lieblichen Königreichs im Süden, klein aber wohlhabend und friedvoll. Die Älteste war schon fast über der Zeit als sie endlich einen König fand, der ihr genügte, einen Witwer mit einer einzigen Tochter, blass und dunkelhaarig und unscheinbar. Dort in diesem riesigen Reich hoch im Norden konnte keine sie an Liebreiz überbieten und endlich war sie die Schönste im ganzen Land und nicht einer zog das in Zweifel. Einige Jahre lang.
Es nahm kein gutes Ende mit ihr. Es geht die Kunde, sie habe auf der Hochzeit ihrer Stieftochter in glühenden Pantoffeln tanzen müssen, bis sie tot umfiel.
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