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Freitag, 9. April 2021
Vier Teile - 3. Das Davor
c. fabry, 13:15h
Veronika war immer eines von den netten Mädchen gewesen. Eine, die immer tat, was man ihr sagte, jedem die Hand gab und alle anlächelte. Doch für Gleichaltrige ist nett irgendwann die kleine Schwester von Scheiße. Und so sehr Veronika sich die Anerkennung der anderen wünschte, so stand ihr ihre Freundlichkeit und Anpassungsbereitschaft dabei nur im Wege.
Sie ging durch sieben Höllen, ertrug sexualisierte Übergriffe unästhetisch alternder Männer, steckte Spott und Häme Gleichaltriger ein wie ein tägliches Taschengeld, bemühte sich vergeblich um die Anerkennung ihrer Lehrerinnen und Lehrer, strebte nach Höherem und landete doch immer wieder nur in der Mittelmäßigkeit. So sehr sie sich auch abmühte, nie war sie gut genug, geschweige denn beeindruckend. Ihr Vater hatte nicht das geringste Interesse an dem, was sie tat oder was sie bewegte, ihrer Mutter hatte ständig etwas an ihr auszusetzen und die älteren Geschwister nahmen ihr alles aus der Hand, was sie anfing, weil sie zu jung, zu ungeschickt zu unerfahren dafür sei.
Erst in ihrem Ehrenamt in der Evangelischen Jugend erlebte Veronika Wertschätzung und das Gefühl, Teil von etwas zu sein, das lohnenswert war, wo sie sich zeigen konnte, wo sie das Richtige tat.
Doch der Richtungswechsel in den Erfahrungen mit sozialen Kontakten weckte große Erwartungen in ihr. Viel zu große Erwartungen. Und so wurde sie wieder enttäuscht, hatte erneut das Gefühl, zu den Seltsamen zu gehören, den Unerwünschten, den Lästigen. Dieses Stigma würde sie ihr Leben lang nicht loswerden, auch nicht, als sie endlich für sich geklärt hatte, wohin die berufliche Reise gehen sollte, als sie spürte, dass die Dozenten, die sie bewunderte, ihr nichts zutrauten, die Kommiliton*innen, die sie interessant fand, ihr aus dem Weg gingen. Und wenn ihr einmal in zehn Jahren jemand begegnete, bei dem sie das Gefühl hatte, endlich anzukommen, jemanden gefunden zu haben, dem sie sich bedingungslos öffnen konnte und der auch ihr sein Vertrauen schenkte, dann fühlte sich das nur eine kleine Weile so an und schon bald wurden die Reaktionen wieder barscher, die Antworten kurz angebunden, man hielt sie auf Abstand, mindestens auf Armeslänge, die Rückrufe blieben aus, ihre E-Mails wurden gelöscht, die Anderen löschten sie aus ihrem Leben, als habe sie nie existiert.
Sie gab nie auf, kam immer wieder auf die Beine, hielt sich fest an ihrem unerschütterlichen Glauben, suchte Trost und Heilung in biblischen Worten und spirituellen Ritualen, schöpfte Kraft aus den halbwegs guten Momenten, die sie im Rückblick künstlich überhöhte, erschuf sich eine heile Welt, in die sie immer wieder zurückkehrte. Bis es nicht mehr funktionierte.
Sie ging durch sieben Höllen, ertrug sexualisierte Übergriffe unästhetisch alternder Männer, steckte Spott und Häme Gleichaltriger ein wie ein tägliches Taschengeld, bemühte sich vergeblich um die Anerkennung ihrer Lehrerinnen und Lehrer, strebte nach Höherem und landete doch immer wieder nur in der Mittelmäßigkeit. So sehr sie sich auch abmühte, nie war sie gut genug, geschweige denn beeindruckend. Ihr Vater hatte nicht das geringste Interesse an dem, was sie tat oder was sie bewegte, ihrer Mutter hatte ständig etwas an ihr auszusetzen und die älteren Geschwister nahmen ihr alles aus der Hand, was sie anfing, weil sie zu jung, zu ungeschickt zu unerfahren dafür sei.
Erst in ihrem Ehrenamt in der Evangelischen Jugend erlebte Veronika Wertschätzung und das Gefühl, Teil von etwas zu sein, das lohnenswert war, wo sie sich zeigen konnte, wo sie das Richtige tat.
Doch der Richtungswechsel in den Erfahrungen mit sozialen Kontakten weckte große Erwartungen in ihr. Viel zu große Erwartungen. Und so wurde sie wieder enttäuscht, hatte erneut das Gefühl, zu den Seltsamen zu gehören, den Unerwünschten, den Lästigen. Dieses Stigma würde sie ihr Leben lang nicht loswerden, auch nicht, als sie endlich für sich geklärt hatte, wohin die berufliche Reise gehen sollte, als sie spürte, dass die Dozenten, die sie bewunderte, ihr nichts zutrauten, die Kommiliton*innen, die sie interessant fand, ihr aus dem Weg gingen. Und wenn ihr einmal in zehn Jahren jemand begegnete, bei dem sie das Gefühl hatte, endlich anzukommen, jemanden gefunden zu haben, dem sie sich bedingungslos öffnen konnte und der auch ihr sein Vertrauen schenkte, dann fühlte sich das nur eine kleine Weile so an und schon bald wurden die Reaktionen wieder barscher, die Antworten kurz angebunden, man hielt sie auf Abstand, mindestens auf Armeslänge, die Rückrufe blieben aus, ihre E-Mails wurden gelöscht, die Anderen löschten sie aus ihrem Leben, als habe sie nie existiert.
Sie gab nie auf, kam immer wieder auf die Beine, hielt sich fest an ihrem unerschütterlichen Glauben, suchte Trost und Heilung in biblischen Worten und spirituellen Ritualen, schöpfte Kraft aus den halbwegs guten Momenten, die sie im Rückblick künstlich überhöhte, erschuf sich eine heile Welt, in die sie immer wieder zurückkehrte. Bis es nicht mehr funktionierte.
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