Freitag, 12. Februar 2021
Christizismus
„Die haben überall ihre Leute.“, klagte Henning. „Du kannst nichts dagegen machen.“
„Das klingt mir aber nach einer gewaltigen Verschwörungstheorie.“ Annegret rümpfte die Nase. „Evangelikalen-Mafia. Hört sich an wie Anarcho-Diktatur oder Burn-out-Entspannung.“
„Ach ja?“, erwiderte Henning gereizt. „Und wie kommt es dann, dass weder das Gesundheitsamt noch die Polizei intervenieren, wenn die sich mit über hundert Leuten ohne Abstand und Maske zum Sing-Gottesdienst treffen?“
„Die Polizei hat genug andere Probleme und das Gesundheitsamt ist auch total überfordert. Genehmigt ist genehmigt. Die schaffen das nicht.“
„Die laufen in jedem städtischen und volkskirchlichen Jugendzentrum auf und gucken nach, ob die Arbeitsflächen auch sauber sind und ob da Küchenpapier rumsteht. Auf jedem kleinen Weihnachtsmarkt wurde kontrolliert, ob am Waffelstand auch warmes Wasser zum Händewaschen zur Verfügung steht. Aber wenn die Mennoniten oder Baptisten ihre Jesus-Partys im Bethaus veranstalten, halten alle die Füße still. Da stimmt doch was nicht.“

„Ist wegen Religionsfreiheit.“, erklärte Annegret schulterzuckend.
„Mit Religionsfreiheit ist aber eigentlich was Anderes gemeint. Auf jeden Fall steht die Religion nicht über staatlichen Gesetzen.“
„Meine Fresse!“ Annegret atmete tief durch. „Jetzt reg dich mal ab.“

„Einen Teufel werde ich tun!“, empörte Henning sich weiter. „Als ich vor zwei Jahren einen Bauantrag gestellt habe für ein Mehrfamilienhaus mit Wohneinheiten in unterschiedlichen Preissegmenten, Single- und Familien-Wohnungen, tolles Konzept, super Architekt, da wurde der Antrag ratz fatz abgelehnt. Jetzt wurde da plötzlich gerade eben ein Klotz hochgezogen, der nur eine Zielgruppe anspricht und der außerdem verboten hässlich aussieht und sich optisch absolut gar nicht in die Umgebung einfügt. Rate mal, wer der Bauherr ist.“
„Dann hat eben mal einer Vitamin B beim Bauamt. So was kommt vor.“, erklärte Annegret lapidar.

„Ja, aber die sitzen überall, halten zusammen wie Pech und Schwefel und schustern sich gegenseitig die Vorteile zu. Und keiner macht was dagegen, nur weil die keine SUVs fahren und sich nicht auf Menschenhandel verlegen.“
„Nee, die haben ja so schon genug Kinder zur Verfügung.“
Für einen Moment schien Henning die Sprache verloren zu haben, dann sagte er betont langsam: „Das ist jetzt aber böse.“
„Das ist jetzt aber auch nicht unwahrscheinlich.“, erwiderte Annegret.
„Die machen doch nicht in Kinderpornographie.“
„Nee, eher altmodisch. Analog statt digital.“
„Ja, kann sein, aber darum geht es nicht.“

„Worum geht es dann?“ hakte Annegret nach
„Die sind gefährlich.“ erklärte Henning. „Die haben einen Plan.“
„Meinst du so was wie evangelischen Dschihad?“
„Ja. Vielleicht nicht mit Bomben und Schusswaffen. Perfider. Durch Infiltration. So in dem Stil wie in Polen. Den Staat immer ein bisschen weiter nach rechts rücken. Bis sich niemand mehr traut, gegen die Religionsdiktatur aufzumucken.“
„Gut, das wäre denkbar. Gibt ja etliche Religionsfaschisten in deren Kreisen. Sieht man ja in den USA, wozu das führen kann.“

Elisa hatte alles mit angehört. Jedes einzelne Wort. Die beiden hatten nicht bedacht, dass die Wand zwischen dem Pausenraum und dem Lager dünn wie Papier war. Elisa notierte ihre Namen und noch ein paar Einzelheiten. Peter würde alles dokumentieren. Für später.

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