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Donnerstag, 18. August 2016
TEN SING-Seifenoper – fast abgeschlossener Kurzkrimi, Auflösung
c. fabry, 20:44h
„Mimen Sie jetzt den weiblichen Hercule Poirot?“, fragte Keller seine junge Kollegin.
„Vielleicht.“, erwiderte sie grinsend und warf keck ihre blonde Lockenmähne nach hinten. „Warten Sie's ab. Ich werde jetzt noch einmal mit Jennifer Pieper sprechen.“
„Welche war das noch mal?“
„Diejenige, die über eine noch üppigere Lockenpracht verfügt als ich.“
„Ach, der barocke Rauschgoldengel. Na, da bin ich aber mal gespannt. Ich hole sie rein.“
Jennifer saß der jungen Polizistin direkt gegenüber, während Keller sie still von der Seite beobachtete.
„Also Jennifer“, sprach Kerkenbrock sie an. Erzähl uns doch bitte noch einmal haarklein, wann und wo du in der Pause gewesen bist.“
„Ich war zuerst kurz in der Garderobe und habe mein Theater-Kostüm abgelegt, weil ich vor der nächsten Szene ein Solo gesungen hätte, zu dem das Kostüm nicht passt.“
„War Aileen zu diesem Zeitpunkt auch in der Garderobe?“
„Ja, sie musste sogar das Make-up wechseln, sie war auch noch da, als ich schon wieder ging.“
„Und wann war das genau?“
„Keine Ahnung, vielleicht nach fünf Minuten.“
„War außer Dir und Aileen noch jemand im Klassenraum?“
„Ja, klar, mehrere sogar.“
„Wer zum Beispiel?“
„Polly, Leonie, Leon und Damian, glaube ich.“
„Und was hast du dann getan?“
„Ich hab' mit den anderen auf dem Schulhof abgehangen und bin dann kurz bevor es weiterging noch aufs Klo gegangen.“
„Wie lange bevor es weiterging?“
„Keine Ahnung, so fünf oder zehn Minuten. Jedenfalls war ich rechtzeitig wieder auf der Bühne.“
„Kann jemand deinen Toilettengang bezeugen?“
„Nein, da war niemand.“
„Jennifer, welches sind deine Sachen?“
Jennifer wurde unruhig und wies auf einen Tisch in der äußersten Ecke des Raums. Kerkenbrock stand auf und holte einen weiß-himmelblau geblümten Segeltuch-Rucksack zu ihnen an den Tisch, den sie vor Jennifer aufbaute.
„Ist das hier deiner?“
„Ja.“, hauchte Jennifer mit großen, runden Augen.
„Würdest du ihn bitte für uns auspacken?“
„Warum?“
„Weil ich es sage.“
„Eingeschüchtert durch den bestimmten Tonfall der Beamtin begann das Mädchen ein Teil nach dem anderen ihrem Rucksack zu entnehmen: eine Trinkflasche, einen Schal, ein Portemonnaie, eine Packung Kaugummi, Papiertaschentücher, ein Schlüsselbund, einen halb vollen Flachmann mit Korn und ein Schnapsglas.“
„Wozu der Schnaps?“, fragte Kerkenbrock.
„Als Glücksbringer.“, erklärte Jennifer. „Bei der Generalprobe muss jeder einen nehmen.“
„Du auch?“
„Klar.“
„Dann macht es dir sicher nichts aus, noch einen zu trinken.“
„Ich mag eigentlich keinen Schnaps.“
„Na, einen halben wirst du jawohl noch verdrücken können.“
„Aber dann werde ich betrunken.“
„Das glaube ich nicht.“
„Doch, ich werde ganz leicht betrunken!“
Jennifer konnte ihre Aufregung nun überhaupt nicht mehr verbergen. Sie atmete flach und ihre zarten Porzellan-Wangen röteten sich wie ein Sonnenaufgang bei Frühnebel. Keller sah sogar, wie ihre Locken zitterten.
„Du würdest nicht betrunken werden.“, erklärte Kerkenbrock. „Du würdest sterben. Habe ich recht?“
„Wieso sterben?“, stammelte Jennifer hilflos.
„Weil die Flüssigkeit in der Schnapsflasche kein Korn ist, sondern Seifenstein, eine chemische Substanz, die man zum Seife Kochen verwendet.“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Weil das die Substanz ist, mit der Aileen vergiftet wurde. Wir werden dein Fläschchen im Labor untersuchen und meine Vermutung wird sich bestätigen. Welchen Teil der Show wolltest du dir mit Aileens Tod zurückerobern? War es eine Theaterrolle?“
„Was? Wie? Nein, so ein Quatsch. Ich bin die Theaterleitung und spiele außerdem die Hauptrolle!“
„War es dann vielleicht ein Solo?“
„Ich singe auch ein Solo!“
„Welches Solo hätte Aileen denn gesungen?“
„ „Diamonds“ von Rihanna. Aber sie machte das nicht besonders gut.“
„Hättest du es besser hinbekommen?“
„Allerdings! Aileen hat das Solo nur gekriegt, weil sie immer alle anbaggert und so aussieht wie die Frauen auf den Zeitschriften. Ihre Stimme ist nicht schlecht, aber sie passt überhaupt nicht zu diesem Song. Ich hatte mich zuerst auf das Lied beworben und auch viel besser und sicherer gesungen, das hat Ariane auch gesagt, aber die Mehrheit war mal wieder für Aileen. Die hat überall mitgemischt und immer die erste Geige gespielt.“
„Wie hast du es gemacht?“, fragte Kerkenbrock unvermittelt.
„Was gemacht?“
„Na, Aileen den Seifenstein als Schnaps untergejubelt, ohne dass die anderen etwas davon mitbekamen und ohne selber mitzutrinken?“
„Das war einfach.“, gab Jennifer plötzlich zu, nachdem sie endlich erkannt hatte, dass sie ohnehin entlarvt war. Da wollte sie sich lieber gleich alles von der Seele reden.
„Ich habe den anderen gesagt, dass ich aufs Klo gehe und bin in die Garderobe, meinen Rucksack hatte ich die ganze Zeit dabei, und bevor ich den Raum betreten habe, hab' ich das Schnapsglas rausgeholt und ein bisschen was reingetröpfelt, damit es benutzt aussah. Dann bin ich auf sie zu und habe gesagt: 'Los, Aileen, alle haben schon den Good-Luck-Schluck genommen, nur du fehlst noch.' und hab' ihr einen eingeschenkt. Sie hat gefragt, was das ist und ich hab 'Korn' gesagt, dann wollte sie wissen, ob Ariane das wüsste, und ich hab' gesagt, dass wir es vor der natürlich geheim halten müssten. Als sie fragte, wie der Schnaps schmeckt, hab' ich gesagt, eklig, am besten, man schluckt ihn ganz schnell runter. Das hat sie dann auch gemacht, und dann kriegte sie plötzlich keine Luft mehr, hat geröchelt, gesabbert und ist umgefallen. Ich dachte, ihr würde nur schlecht davon, dann wäre sie morgen krank gewesen, und andere hätten auch mal eine Cance gehabt, zu zeigen, was sie können. Ich wusste ja nicht, dass sie davon stirbt.“
„Doch, Jennifer, das wusstest du ganz sicher.“, erwiderte Kerkenbrock eiskalt. Sie ließen die Täterin festnehmen und ins Polizeipräsidium bringen. Als sie einen Augenblick allein waren, fragte Keller seine junge Kollegin: „Jetzt sagen Sie mal, Kerkenbrock, wie sind Sie dem Satansbraten auf die Schliche gekommen? Und was macht Sie so sicher, dass sie in voller Tötungsabsicht gehandelt hat?“
„Dass sie ein Motiv hatte, ist mir sofort aufgefallen.“, erwiderte Kerkenbrock. „Da war sie natürlich nicht die Einzige, aber schon eine, der man ansieht, dass unter der Kruste aus Zuckerguss ein Vulkan aus Hass und Missgunst brodelt. Als dann Konstanze die Theorie mit dem Seifenstein ausbreitete, fiel mir wieder ein, woher ich das Mädchen kenne. Ihre Großmutter verkauft handgesiedete Seifen auf dem Siggi. Manchmal steht sie Samstags dabei und hilft beim Verkaufen. Erst vor ein paar Wochen habe ich mitbekommen, wie ihre Oma ihr einen Vortrag über die Gefahren des Seifensteins hielt und ihr eine Horrorgeschichte von einer Verwechslung mit Schnaps erzählte, bei der das Opfer einen sehr schnellen, aber äußerst qualvollen Tod ereilte und dass es in einem solchen Fall keine Rettung gebe. Sie wusste, was sie tat. Ich habe ein bisschen hoch gepokert, aber ich wusste auch, dass meine Chancen gut standen.“
„Ja.“, erwiderte Keller. „Hoch gepokert und haushoch gewonnen. Herzlichen Glückwunsch, Kerkenbrock. Wenn Sie so weitermachen, leiten Sie demnächst die Ermittlungen und ich fahre schon mal den Wagen vor.“
ENDE
„Vielleicht.“, erwiderte sie grinsend und warf keck ihre blonde Lockenmähne nach hinten. „Warten Sie's ab. Ich werde jetzt noch einmal mit Jennifer Pieper sprechen.“
„Welche war das noch mal?“
„Diejenige, die über eine noch üppigere Lockenpracht verfügt als ich.“
„Ach, der barocke Rauschgoldengel. Na, da bin ich aber mal gespannt. Ich hole sie rein.“
Jennifer saß der jungen Polizistin direkt gegenüber, während Keller sie still von der Seite beobachtete.
„Also Jennifer“, sprach Kerkenbrock sie an. Erzähl uns doch bitte noch einmal haarklein, wann und wo du in der Pause gewesen bist.“
„Ich war zuerst kurz in der Garderobe und habe mein Theater-Kostüm abgelegt, weil ich vor der nächsten Szene ein Solo gesungen hätte, zu dem das Kostüm nicht passt.“
„War Aileen zu diesem Zeitpunkt auch in der Garderobe?“
„Ja, sie musste sogar das Make-up wechseln, sie war auch noch da, als ich schon wieder ging.“
„Und wann war das genau?“
„Keine Ahnung, vielleicht nach fünf Minuten.“
„War außer Dir und Aileen noch jemand im Klassenraum?“
„Ja, klar, mehrere sogar.“
„Wer zum Beispiel?“
„Polly, Leonie, Leon und Damian, glaube ich.“
„Und was hast du dann getan?“
„Ich hab' mit den anderen auf dem Schulhof abgehangen und bin dann kurz bevor es weiterging noch aufs Klo gegangen.“
„Wie lange bevor es weiterging?“
„Keine Ahnung, so fünf oder zehn Minuten. Jedenfalls war ich rechtzeitig wieder auf der Bühne.“
„Kann jemand deinen Toilettengang bezeugen?“
„Nein, da war niemand.“
„Jennifer, welches sind deine Sachen?“
Jennifer wurde unruhig und wies auf einen Tisch in der äußersten Ecke des Raums. Kerkenbrock stand auf und holte einen weiß-himmelblau geblümten Segeltuch-Rucksack zu ihnen an den Tisch, den sie vor Jennifer aufbaute.
„Ist das hier deiner?“
„Ja.“, hauchte Jennifer mit großen, runden Augen.
„Würdest du ihn bitte für uns auspacken?“
„Warum?“
„Weil ich es sage.“
„Eingeschüchtert durch den bestimmten Tonfall der Beamtin begann das Mädchen ein Teil nach dem anderen ihrem Rucksack zu entnehmen: eine Trinkflasche, einen Schal, ein Portemonnaie, eine Packung Kaugummi, Papiertaschentücher, ein Schlüsselbund, einen halb vollen Flachmann mit Korn und ein Schnapsglas.“
„Wozu der Schnaps?“, fragte Kerkenbrock.
„Als Glücksbringer.“, erklärte Jennifer. „Bei der Generalprobe muss jeder einen nehmen.“
„Du auch?“
„Klar.“
„Dann macht es dir sicher nichts aus, noch einen zu trinken.“
„Ich mag eigentlich keinen Schnaps.“
„Na, einen halben wirst du jawohl noch verdrücken können.“
„Aber dann werde ich betrunken.“
„Das glaube ich nicht.“
„Doch, ich werde ganz leicht betrunken!“
Jennifer konnte ihre Aufregung nun überhaupt nicht mehr verbergen. Sie atmete flach und ihre zarten Porzellan-Wangen röteten sich wie ein Sonnenaufgang bei Frühnebel. Keller sah sogar, wie ihre Locken zitterten.
„Du würdest nicht betrunken werden.“, erklärte Kerkenbrock. „Du würdest sterben. Habe ich recht?“
„Wieso sterben?“, stammelte Jennifer hilflos.
„Weil die Flüssigkeit in der Schnapsflasche kein Korn ist, sondern Seifenstein, eine chemische Substanz, die man zum Seife Kochen verwendet.“
„Wie kommen Sie denn darauf?“
„Weil das die Substanz ist, mit der Aileen vergiftet wurde. Wir werden dein Fläschchen im Labor untersuchen und meine Vermutung wird sich bestätigen. Welchen Teil der Show wolltest du dir mit Aileens Tod zurückerobern? War es eine Theaterrolle?“
„Was? Wie? Nein, so ein Quatsch. Ich bin die Theaterleitung und spiele außerdem die Hauptrolle!“
„War es dann vielleicht ein Solo?“
„Ich singe auch ein Solo!“
„Welches Solo hätte Aileen denn gesungen?“
„ „Diamonds“ von Rihanna. Aber sie machte das nicht besonders gut.“
„Hättest du es besser hinbekommen?“
„Allerdings! Aileen hat das Solo nur gekriegt, weil sie immer alle anbaggert und so aussieht wie die Frauen auf den Zeitschriften. Ihre Stimme ist nicht schlecht, aber sie passt überhaupt nicht zu diesem Song. Ich hatte mich zuerst auf das Lied beworben und auch viel besser und sicherer gesungen, das hat Ariane auch gesagt, aber die Mehrheit war mal wieder für Aileen. Die hat überall mitgemischt und immer die erste Geige gespielt.“
„Wie hast du es gemacht?“, fragte Kerkenbrock unvermittelt.
„Was gemacht?“
„Na, Aileen den Seifenstein als Schnaps untergejubelt, ohne dass die anderen etwas davon mitbekamen und ohne selber mitzutrinken?“
„Das war einfach.“, gab Jennifer plötzlich zu, nachdem sie endlich erkannt hatte, dass sie ohnehin entlarvt war. Da wollte sie sich lieber gleich alles von der Seele reden.
„Ich habe den anderen gesagt, dass ich aufs Klo gehe und bin in die Garderobe, meinen Rucksack hatte ich die ganze Zeit dabei, und bevor ich den Raum betreten habe, hab' ich das Schnapsglas rausgeholt und ein bisschen was reingetröpfelt, damit es benutzt aussah. Dann bin ich auf sie zu und habe gesagt: 'Los, Aileen, alle haben schon den Good-Luck-Schluck genommen, nur du fehlst noch.' und hab' ihr einen eingeschenkt. Sie hat gefragt, was das ist und ich hab 'Korn' gesagt, dann wollte sie wissen, ob Ariane das wüsste, und ich hab' gesagt, dass wir es vor der natürlich geheim halten müssten. Als sie fragte, wie der Schnaps schmeckt, hab' ich gesagt, eklig, am besten, man schluckt ihn ganz schnell runter. Das hat sie dann auch gemacht, und dann kriegte sie plötzlich keine Luft mehr, hat geröchelt, gesabbert und ist umgefallen. Ich dachte, ihr würde nur schlecht davon, dann wäre sie morgen krank gewesen, und andere hätten auch mal eine Cance gehabt, zu zeigen, was sie können. Ich wusste ja nicht, dass sie davon stirbt.“
„Doch, Jennifer, das wusstest du ganz sicher.“, erwiderte Kerkenbrock eiskalt. Sie ließen die Täterin festnehmen und ins Polizeipräsidium bringen. Als sie einen Augenblick allein waren, fragte Keller seine junge Kollegin: „Jetzt sagen Sie mal, Kerkenbrock, wie sind Sie dem Satansbraten auf die Schliche gekommen? Und was macht Sie so sicher, dass sie in voller Tötungsabsicht gehandelt hat?“
„Dass sie ein Motiv hatte, ist mir sofort aufgefallen.“, erwiderte Kerkenbrock. „Da war sie natürlich nicht die Einzige, aber schon eine, der man ansieht, dass unter der Kruste aus Zuckerguss ein Vulkan aus Hass und Missgunst brodelt. Als dann Konstanze die Theorie mit dem Seifenstein ausbreitete, fiel mir wieder ein, woher ich das Mädchen kenne. Ihre Großmutter verkauft handgesiedete Seifen auf dem Siggi. Manchmal steht sie Samstags dabei und hilft beim Verkaufen. Erst vor ein paar Wochen habe ich mitbekommen, wie ihre Oma ihr einen Vortrag über die Gefahren des Seifensteins hielt und ihr eine Horrorgeschichte von einer Verwechslung mit Schnaps erzählte, bei der das Opfer einen sehr schnellen, aber äußerst qualvollen Tod ereilte und dass es in einem solchen Fall keine Rettung gebe. Sie wusste, was sie tat. Ich habe ein bisschen hoch gepokert, aber ich wusste auch, dass meine Chancen gut standen.“
„Ja.“, erwiderte Keller. „Hoch gepokert und haushoch gewonnen. Herzlichen Glückwunsch, Kerkenbrock. Wenn Sie so weitermachen, leiten Sie demnächst die Ermittlungen und ich fahre schon mal den Wagen vor.“
ENDE
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