Donnerstag, 26. Mai 2016
Zerbrochene Flügel, Kurzkrimi – Teil I
„Ich denke, Sie müssen uns aufs Präsidium begleiten.“, sagte Stefan Keller und fixierte die junge Frau, die mit Spiritus-Reiniger und Schwamm-Tuch am Fenster stand.
„Warum?“, fragte sie mit offenkundig geheuchelter Unschuld.
„Weil Sie da gerade Spuren beseitigen.“, erklärte Sabine Kerkenbrock und ging langsam auf sie zu. „Geben Sie mir bitte die Putzmittel.“, sagte die Beamtin, „die muss ich sicherstellen.“
„Aber wieso Spuren beseitigen?“, fragte Bianca Peper irritert. Ihr gewaltiger Busen zuckte so sehr über ihrem hämmernden Herzschlag, dass man es auch auf einige Meter Entfernung erkennen konnte. Ihre grobporigen Pausbacken röteten sich und die Augen waren die eines zu Tode erschrockenen Kindes, wodurch ihre schulterlange, goldblonde Fönfrisur wie eine Schwebehaube als Bestandteil einer absurden Verkleidung wirkte. Sie begann sich zu rechtfertigen: „Sie waren doch gestern schon hier und haben alles abgesucht. Ich wollte jetzt nur die Fingerfarben zu Ende wegputzen, damit ist Bettina ja gestern nicht mehr fertig geworden.“
„Ist das wirklich das Erste, das Ihnen nach dem gewaltsamen Tod Ihrer Jugendreferentin einfällt?“, fragte Keller angeekelt.
„Wieso das Erste? Dann hätte ich das ja gleich gestern geputzt.“, verteidigte sich Bianca Peper.
„Das war ja kaum möglich.“, erinnerte sie Keller an die Tatsachen. „Wir waren ja hier. Und eigentlich dürften Sie immer noch nicht hier sein, weil das Dachgeschoss dieses Gemeindehauses nach wie vor versiegelt ist.“
„Aber das wusste ich nicht.“
„Das war ja kaum zu übersehen! Sie mussten das Siegel schließlich zerstören, um in die Spielwohnung zu gelangen.“
„Aber das habe ich gar nicht gesehen. Im Flur ist es total dunkel. Ich habe einfach die Tür aufgemacht und bin rein gegangen.“
„Wo waren Sie denn gestern zu dem Zeitpunkt, als Frau Wehmeier abstürzte?“
„Hier oben, auf der Toilette.“
„Wo war Frau Wehmeier, als Sie sie das letzte Mal sahen?“
„Sie turnte auf der Fensterbank herum. Ich habe noch gesagt, pass bloß auf Bettina, dass du nicht runter fällst, lass die Fenster von außen lieber vom Fensterputzer machen, aber Bettina meinte, dass sie nicht richtig sehen könnte, ob auch alles sauber ist von innen, wenn außen der ganze Dreck von den Bäumen klebt. Dann bin ich zur Toilette gegangen und als ich zurück kam, war Bettina nicht da. Ich bin nach unten ins Jugendcafé gelaufen und da schrien schon alle aufgeregt durcheinander und guckten aus dem Fenster. Simon und Carina waren schon direkt zu ihr hin gelaufen und haben einen Krankenwagen gerufen, aber der kam leider zu spät.“
„War denn sonst niemand im Raum, als Frau Wehmeier abstürzte?“
„Ich denke nicht, sie war wohl allein.“
„Wie lange waren Sie auf der Toilette?“
„Nur kurz.“
„Haben Sie auf die Uhr gesehen?“
„Nein.“
„Wir müssen Sie trotzdem bitten, uns aufs Präsidium zu begleiten.“, erklärte Kerkenbrock. „Wir brauchen eine DNA-Probe von Ihnen und außerdem die Kleidung, die Sie gestern getragen haben, dazu werden wir einen Beamten zu Ihnen nach Hause schicken. Ist da jemand, der uns die Kleidung aushändigen kann?“
„Ja, mein Freund ist da.“
„Der wird auch sicher wissen, was Sie gestern getragen haben.“
FORTSETZUNG FOLGT MORGEN

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