Freitag, 31. Mai 2024
Spoiler 26
2008
Für Viola war der 12. August 2008 ein denkwürdiges Datum. Auch für ihre Mutter war es etwas Besonderes, bei der Einschulung ihres erstgeborenen Kindes dabei zu sein.
Raimund hingegen überließ die Angelegenheit seiner Frau, steckte er doch mitten im Erntestress. Und Ingrid war nur geringfügig an den besonderen Meilensteinen, die die Lebensabschnitte ihrer Enkelin markierten, interessiert, seit es auch ein männliches Exemplar gab. Sie kümmerte sich hingebungsvoll um den kleinen Louis, für den die Veranstaltung nach ihrem Dafürhalten eine Tortur bedeutet hätte. Die Schwiegertochter war aus der Schusslinie und sie konnte das Ebenbild ihres Sohnes so oft an ihren Busen drücken und mit Küssen bedecken, wie es ihr gefiel.

Die Feierlichkeiten zur Einschulung waren bunt und lebendig, Viola war begeistert, dass neben den vielen bekannten Gesichtern aus der Kindergartenzeit auch so viele neue Erstklässler dort waren, dass sie Kinder wieder erblickte, die vor einem Jahr den Kindergarten verlassen hatten, dass es so viel zu entdecken gab und dass ihre Klassenlehrerin so nett war.
Astrid hatte sich nach reiflicher Überlegung entschlossen, mit Violas Schulstart wieder ihre berufliche Tätigkeit aufzunehmen und Louis für ein halbes Jahr der Obhut seiner Großmutter zu überlassen. Danach hatte sie einen Platz für ihn in einer Kindertagesstätte in Werther, bevor er als Dreijähriger ebenfalls im Kindergarten vor Ort unterkommen konnte. Darum hatte sie ihre Tochter für den offenen Ganztag angemeldet und hoffte, dass sie sich dort gut zurechtfand.

Tatsächlich war Viola in der Grundschule hoch zufrieden. In den Pausen und in der Betreuung erlebte sie herrliche neue und alte Spiele, traf viele Verabredungen und lernte ein bekanntes Gesicht aus dem Kindergarten näher kennen: Paula Husemann aus dem Gasthof Bierhoff, die Tochter von Raimunds alter Schulkameradin Sigrid Husemann. In der Kita hatten sie aneinander vorbeigesehen, doch hier in der OGS stellten sie plötzlich fest, dass sie an den gleichen Spielen und Bastelaktionen Freude hatten, über dieselben Dinge lachen konnten und meistens übereinstimmten, wenn es um Sympathie oder Antipathie gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern ging. Gemeinsam träumten sie sich in eine bessere Welt, denn bei beiden war es zu Hause von Zeit zu Zeit schwierig und belastend. Ihre Freundschaft half ihnen, dem Druck für eine Weile zu entkommen und Kräfte zu sammeln.

Viola überließ den größten Teil der mütterlichen Fürsorge ihrem kleinen Bruder. Ihrem Vater ging sie möglichst aus dem Weg, der Großmutter zu Hause ebenso. Die Großeltern in Halle waren weit weg, die Oma, schwer an Krebs erkrankt, starb bald und der Opa zog sich in seine Trauer zurück.

Raimund erfreute sich ebenso wie seine Mutter wesentlich mehr an seinem "Stammhalter" als an seiner Tochter und so blieb das Mädchen fürs Erste weitestgehend sich selbst überlassen.

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