Freitag, 31. Juli 2020
Hydra – fast nur ein Plot
Der Vorstandsvorsitzende des Trägervereins vereint immer mehr Funktionen auf sich, seine Macht nimmt stetig zu, die Richtung, in die er strebt, ist selbstzerstörerisch, nicht für ihn, sondern für den Arbeitsbereich, die jahrzehntelang gewachsenen, heilsamen Strukturen.

Die Protagonistin gerät zunehmend in einen panikartigen Zustand, antizipiert den totalen Zusammenbruch, unerträgliche Arbeitsbedingungen, wenig sozialverträgliche Kündigungen, am Ende gar die Abschaffung ihres Arbeitsbereichs. Ihre Angst wird zur Triebfeder ihres Handelns.

In ihr entsteht ein innerer Konflikt, die Frage, ob sie es sich leisten will, schuldig zu werden, um das Schlimmste zu verhindern. Die klassische Frage nach der Legitimität des Tyrannensturzes.

Man müsste etwas unternehmen – dachte sie. Jemand müsste ihm Einhalt gebieten, ihn in seine Schranken weisen, die Verhältnisse zurechtrücken. Vor ihm hatten doch auch vernünftige Menschen die Geschicke des Vereins geleitet, ohne dass irgendjemand nennenswert in Not geraten war. Auch in der Vergangenheit hatten Haushaltsmittelverknappungen und Kürzungen öffentlicher Zuschüsse zu schwierigen Situationen geführt, aber man hatte die Probleme offen kommuniziert und gemeinsam nach Lösungen gesucht. Auch damals war es vorgekommen, dass Kollegen oder Kolleginnen in die Arbeitslosigkeit entlassen wurden, aber ohne vorher alle kollektiv unter Druck zu setzen und eine Atmosphäre von Hauen und Stechen zu erzeugen.
Plötzlich wurde die angespannte Haushaltslage als brandneues Phänomen gehandelt, dem man mit nie gekannter Entschlossenheit entgegenzutreten hatte. Zeitnah und vollumfänglich. Oh wie sie diese Wirtschafts-Neologismen hasste! Und wie sie die Kollegen verabscheute, die das alles ungefiltert nachplapperten, um als letzte auf der abschmelzenden Eisscholle übrig zu bleiben. Und wie sie die Kolleginnen hasste, die ungeachtet aller feministischen Errungenschaften demütig den Anweisungen Folge leisteten und deren einziges Aufbegehren nur ein vermeintliches war, wenn sie in wohldosierter Frivolität harmlose Neckereien gegenüber dem Chef zum Besten gaben. Das musste ein Ende haben. Niemand sollte noch in diesem Jahrtausend in diesem Teil der Erde in einem solchen Klima von Ohnmacht, Angst und Unterdrückung leben und arbeiten müssen.

Aber wie? Sie könnte ihn verhexen, mit Feng Shui-Giftpfeilen attackieren, dafür würde sie niemand vor Gericht stellen, wegen so etwas wurde man heutzutage nicht mehr angeklagt. Aber es nützte auch nichts. Mit faulem Zauber schaffte man niemanden aus dem Weg, genauso wenig wie mit inständigen Gebeten, das versuchte sie schon seit Jahren. Sie besaß nicht die Macht, ihn wegzubefördern und hatte auch keine Idee, was sie ihm anhängen konnte, damit er seinen Stuhl räumen musste. Gut, sexuelle Gewalt ging immer, wenn sie sich geschickt genug anstellte, würde ihn jedes Gericht schuldig sprechen, aber das konnte sie vor allem aus Respekt vor den tatsächlichen Opfern sexueller Gewalt nicht tun. Wenn die Falschheit der Anschuldigungen ans Licht käme, würde auch wieder die Schuld der wahren Täter infrage gestellt.
Aber war es gerechtfertigt, ihn zu töten, damit er verschwand? Er war kein despotischer Souverän, der Soldaten an die Front schickte, Zivilisten bombardierte und politische Gegner foltern ließ. Er war ein kleinschwänziger, machtgeiler Durchschnittstheologe, der zur Erreichung seiner Ziele das Leiden seiner Mitarbeitenden in Kauf nahm, nicht aber ihren Tod. Ein solches Verhalten rechtfertigte keinen Mord. Sie konnten sich genauso gut alle einen neuen Job suchen, dann stände er auch übel da. Aber alles in ihr sträubte sich, diesem sich selbst überschätzenden Westentaschen-Dschingis-Khan das Feld kampflos zu überlassen, wo am Ende doch nur verbrannte Erde übrig bliebe, so dass er zum nächsten Feld weiterzöge, um die Zerstörung fortzusetzen.

In der Hoffnung, dass sich vielleicht am Ende doch alles von selbst zum Guten wendet, macht die Protagonistin weiter und beißt die Zähne zusammen. Doch schon bald kommt es zu neuen Verschlechterungen, Mitarbeitende werden wahllos zwischen den Arbeitsbereichen hin und her geschoben, in völliger Unkenntnis der unterschiedlichen Klientel, einfach vom grünen Tisch aus berechnet. Es entstehen Konflikte in den Stadtteilen und statt sich seiner Verantwortung zu stellen, gibt der Chef den Mitarbeitenden vor Ort die Schuld dafür.

Die Lage eskaliert zusehends und am Ende wird die Protagonistin zur Täterin, planlos, in blinder Wut, mit allen Konsequenzen, die sie tragen muss, weil es ihr nicht gelingt, ungestraft zu entkommen, aber das ist auch gar nicht ihr Plan gewesen.

Ihr Opfer indes, wird am Ende sinnlos gewesen sein, ein selbstmörderischer Kamikazeflug, bei dem nur die Hütten getroffen sind, nicht aber die Paläste, die weiterhin stehen bleiben. Auch wenn der Tyrann gefällt ist, die Verhältnisse bleiben bestehen und der nächste Pilz ist schon längst aus dem Boden geschossen, der Hydra wachsen zwei neue Köpfe, wo sie einen abgeschlagen hat.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Samstag, 25. Juli 2020
Das Bild zum Krimi:

... link (0 Kommentare)   ... comment


Freitag, 24. Juli 2020
Bildbetrachtung
Ein Kindergesicht. Gemalt in starken Farben. Ein fröhliches Bild, ein Sommerbild, voller Leben und Lachen. Aber der Verfall deutet sich bereits an: der leere Blick der schwermütigen Augen, voller Lethargie, Trauer und Perspektivlosigkeit. Die Winkel des leicht und träge geöffneten Mundes weisen nach unten, flankiert von tiefen Nasolabialfalten. Ungelenk der Schneidersitz und in der linken Hand das obligatorische Skatblatt, ständiges Accessoire seines Ruins.
Im Hintergrund die strahlende Schwester, weibliche Bescheidenheit, aber auch ungetrübte Lebensfreude. Die Schwester hat vieles erreicht, von dem, was sie wollte, wenn auch nicht alles, ein typisches Frauenschicksal ihrer Generation. Ist aber sehr alt geworden und war bis kurz vor dem Ende mit außerordentlicher Gesundheit gesegnet. Hier mit stramm geflochtenen Zöpfen, zu Affenschaukeln hochgesteckt, ein Mona Lisa-haftes Lächeln im glatten Gesicht.
Er dagegen hatte schon als Kind keine Körperspannung, trotz der sportlichen Erfolge als junger Mann fehlte ihm schon immer das ausreichende Maß an Energie. Er hätte es wohl ohnehin nicht geschafft. Schon bald hätte sein Herz aufgegeben oder eines seiner Blutgefäße. Aber vielleicht auch nicht.
Der Pfuscher, der es damals vermasselt hat, liegt längst selbst unter der Erde. War ja nicht mehr bei klarem Verstand, hat sogar seine eigene Tochter verpfuscht. Von einer Klage hatte die Mutter damals abgesehen. „Das macht Papa auch nicht wieder lebendig.“, hatte sie gesagt. Es gab so viel für sie zu schultern, da wollte sie sich nicht zusätzlich die nervenaufreibenden Strapazen eines Zivilprozesses zumuten. Und die Ärzte hielten ja zusammen wie Pech und Schwefel. Am Ende hätte sie noch die Prozesskosten tragen müssen.
Doch es war ja nicht allein die Inkompetenz des Arztes gewesen, die den Vater damals aus dem Leben gerissen hatte. Es war das Management diese aufgeblasenen Provinzklinik, die Schludrigkeit des örtlichen Pflegepersonals in einer Region, in der alle irgendwie unpräzise, oberflächlich, unmotiviert und chronisch unfreundlich vor sich hin arbeiteten. Weil sie es konnten, weil es keine Konkurrenz gab und eine stille Übereinkunft herrschte, sich nur nicht zu sehr anzustrengen. Darum war die Region auch so strukturschwach. Darum verschwanden auch alle, die es konnten, in die nächstliegenden Metropolen oder gar an viel weiter entfernte Orte. Diejenigen die blieben, waren entweder anspruchslos oder ängstlich oder schafften es einfach nicht, zu entkommen oder alles auf einmal.
Diesem Schlendrian musste man ein Ende setzen, ein Exempel statuieren. Der Vater würde vielleicht heute nicht mehr leben, aber er hätte wenigstens alle seine Enkelkinder kennenlernen können. Und die Klinik war noch immer ein Schlachthof trotz Standortwechsel und hochmoderner Ausstattung. Natürlich hatte es schon vor Inbetriebnahme die ersten Bauschäden gegeben, ebenso wie die Erkenntnis eklatanter Planungsfehler, die dann wieder durch menschenunwürdige Improvisationen ausgeglichen wurden: Aus Zweibettzimmern wurden Dreibettzimmer gemacht, in dem ein*e Patient*in in einer dunkeln Ecke lag, zwischen Zimmertür, Nasszelle und Trennwand, nahezu ohne Tageslicht.
Mit der Hygiene bekamen sie es auch nicht hin, pflaumten zwar Besucher der Isolierstation an, wenn es geschah, dass beide Türen der Schleuse eine Sekunde lang gleichzeitig geöffnet waren, ließen aber selber am Abend bei der Essensausgabe alles sperrangelweit offen stehen, damit sie schneller fertig wurden und wieder gemütlich Kaffee trinken konnten. Pflegenotstand hin oder her, dieses Pflegepersonal sorgte für sich.
Die Mutter hatte kürzlich bei schwerem Durchfall eine ganze Nacht in einer Besenkammer zugebracht, die sie nicht verlassen durfte, für die Notdurft hatte sie einen Eimer zur Verfügung, der die ganze Nacht nicht geleert wurde und eine Gelegenheit zum Hände waschen gab es auch nicht. Wenn sie dort verstorben wäre, wäre es erst nach Stunden aufgefallen. Sie selbst hatte es zwei Mal erlebt, dass sie nach Operationen in dieser Klinik stark eiternde Narben hatte – bei anderen OPs in anderen Krankenhäusern war das nie passiert.
Aktuell gab es keine Vorkommnisse, aber das Bild ließ ihr keine Ruhe. Es war Zeit für ein Zeichen, das wachrüttelte. Kein nörgelnder Leserbrief, der sich breiter Ignoranz erfreute, kein mutig angebrachtes Banner, über das doch nur alle die Nase rümpften. Es brauchte einen großen Knall. Nicht in der Klinik, in der Patienten verzweifelt auf Hilfe warteten. Sie wusste genau wo sie zuschlagen würde und das Bekennerschreiben würde sie an die Boulevardpresse schicken.
Als am Ende ein hoffnungstragender Assistenzarzt an einer Überdosis des Giftes verstarb, das sie in die Lebensmittel der Personalkantine geschleust hatte, hätte sie das Bekennerschreiben gern zurück gerufen, doch all ihr Gift war nun in der Welt und man würde sie suchen und wenn man sie fand wäre die Schmach unendlich.
Sie blickte noch einmal in das gemalte Bildnis des eigenen Vaters und entdeckte ihre eigenen Gesichtszüge in den seinen. Die Antriebslosigkeit, die Trauer, die Leere des Geistes, die hängenden Mundwinkel, der Mangel an Körperspannung. Sie musste sich nicht stellen, sie war schon im Vorhinein bestraft und sie würde nicht alt. Und so versank sie in Scham und Lethargie und wartete täglich auf den Tod.

... link (0 Kommentare)   ... comment


Donnerstag, 16. Juli 2020
Mamma
Das letzte, das er sah, waren die wimpernlosen, dunkel geränderten Augen der kahlköpfigen Frau. Mit letzter Kraft blies sie ihm das Lebenslicht aus. Sie hatte nicht mehr viel Zeit, aber sie überlebte ihn. Dabei hatte alles so harmlos angefangen.

An einem schönen Junitag war sie zur routinemäßigen Mammographie erschienen – sechs Mal spanischer Büstenhalter: zwei Mal horizontale Quetschung, zwei Mal vertikale Quetschung und zwei Mal die Cleopatra, um das Gewebe zwischen Brustansatz und Achselhöhle zwischen die Platten des Röntgengeräts zu bekommen. Dazu musste die Frau sich in einer theatralischen, Ballett-Figur positionieren, mit vorgestreckter Brust, durchgebogenem Rücken, halb seitlich, halb rückwärts gewandtem Kopf und ausladender Armbewegung. Jedes Mal dachte sie: Jetzt ist die Maschine am Anschlag, jetzt geht nichts mehr, aber es wurde immer noch ein bisschen mehr gequetscht, ein nahezu unerträgliches Folterinstrument kam da zum Einsatz, aber was tat frau nicht alles für die Gesundheit.

Wieder zwei Jahre Ruhe, hatte sie gedacht und war erlöst nach Hause gegangen. Falsch gedacht. Nach einer Woche war ein Schreiben gekommen. Bitte in einer Woche noch einmal zur Abklärung erscheinen. Zu weiteren Aufnahmen und Ultraschall. Kein bösartiger Befund. Aber auch keine Entwarnung.

Eine Woche Zittern. Na gut, das ließ sich aushalten. Sie war pünktlich zum Termin erschienen, saß trotzdem eine halbe Stunde im Wartebereich. Dann wieder in den spanischen Büstenhalter, glücklicherweise nur mit einer Brust. Danach zusätzlich eine halbe Stunde warten auf den nächsten Schritt. Ultraschall. Die Ärztin war einigermaßen verzweifelt. „Ich kann es nicht abbilden.“, sagte sie. „Ich sehe nichts, das ist eigentlich gut, aber auf der Röntgen-Aufnahme ist etwas zu sehen, das ist nur leider so nah an der Thoraxwand, dass man es weder mit der Mammographie noch im Ultraschall vernünftig sehen kann. Im Kernspin könnte man eindeutig etwas erkennen, aber das zahlt die Krankenversicherung nicht.“
„Was kostet das denn?“
„Um die vierhundert Euro.“
Sie schluckte heftig. Vierhundert Euro. Ein Klacks für die Besserverdienenden. Für sie selbst aber leider nicht aufzubringen.

Die Ärztin sah sich noch einmal die Aufnahmen an und meinte schließlich: „Es kann sich auch durchaus um eine normale Gewebeüberlagerung handeln. Sie bekommen einen Termin in sechs Monaten, dann kontrollieren wir, ob sich etwas verändert hat. Seien Sie dann bitte unbedingt da.“

Sechs Monate zittern. Na das konnte ja heiter werden. Aber musste das sein? War das hier nicht ein Ausnahmefall? Gleich am nächsten Tag suchte sie die örtliche Niederlassung ihrer Krankenversicherung auf.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte ein geschäftig und aufstrebend wirkender junger Mann mit dem üblichen, aufgesetzten Lächeln Empathie-befreiter Servicekräfte.
„Ich habe ein schwerwiegendes Problem.“, erklärte sie. „Beim Mammographie-Screening gab es eine auffällige Veränderung in der Brust zu sehen, bei der nicht ausgeschlossen werden kann, dass es sich um eine bösartige Variante handelt. Die Position ist so ungünstig, dass man weder bei der Mammographie noch beim Ultraschall vernünftig erkennen kann, um was es sich handelt. Die Ärztin hat mir erklärt, dass ein MRT eindeutige Ergebnisse liefern würde, dass die Krankenkassen das aber nicht bezahlen.“
„Das ist richtig.“, antwortete der junge Mann mit schon deutlich weniger freundlichem Gesichtsausdruck. „Vermutlich sind Sie vollkommen gesund und wenn bei jeder Frau ein MRT vorgenommen würde, würden die Kosten und damit auch die Versicherungsbeiträge explosionsartig in die Höhe schießen. Das will niemand. Wenn sich in einem halben Jahr etwas verändert hat, wird man weiter sehen.“
„Aber dann ist es vielleicht schon zu spät.“, sagte sie. „In einem halben Jahr kann sich die Lage dramatisch verändern.“
„Aber das ist doch nicht gesagt.“, beschwichtigte er sie.
Allmählich stieg ihr die Galle hoch: „Aber wozu veranstaltet man dieses sicherlich auch äußerst kostspielige, flächendeckende Screening, wenn man im Bedarfsfall nicht schnell handelt? Das ist doch schließlich der Sinn der Untersuchung: Früherkennung, damit man rechtzeitig intervenieren kann, sodass der Krebs nicht metastasiert und brusterhaltend, wenn nicht sogar minimalinvasiv operiert werden kann. Das muss doch auch im Interesse der Versicherer liegen, hier schnell zu handeln und so die Kosten geringer zu halten. Da müssen Sie sich doch für einsetzen!“
„Erklären Sie mir nicht, was wir müssen.“, erwiderte er nun mit vollends versteinerter Miene. „Selbstverständlich steht es Ihnen frei, einen Termin für ein MRT zu vereinbaren und in Vorleistung zu gehen. Sollte sich der Verdacht bestätigen und es sich tatsächlich um ein Mammakarzinom handeln, würden wir Ihnen Ihre Auslagen erstatten. Wenn wir aber wegen jeder Panikattacke den Empfehlungen der Radiologen folgen, sind wir sehr bald zahlungsunfähig. Glauben Sie mir, diese vielfachen apparatemedizinischen Untersuchungen sind nichts als Geldschneiderei. Die wollen Ihre Geräte auslasten, machen Ihnen Angst, damit Sie sich eine weitere, völlig überflüssige Untersuchung aufschwatzen lassen. Glauben Sie mir: Wenn die im Ultraschall nichts erkennen, dann ist da auch nichts.“

Sie fand sich mit der Zurückweisung ab. Was blieb ihr auch anderes übrig. Sie brauchte ihre ganze Kraft, um weiterhin ihren Lebensunterhalt zu verdienen und konnte sich nicht in Streitereien mit der Krankenversicherung verzetteln.

Als sie ein halbes Jahr später wieder in den spanischen Büstenhalter gequetscht wurde, war das unscheinbare, kleine Etwas zu einem riesigen, invasiven Karzinom angewachsen, hatte Ausläufer in das umliegende Gewebe gebildet.

Es folgte das ganze Programm: Resektion der Brust, Bestrahlung, Chemotherapie mit allen üblichen Nebenwirkungen: Übelkeit, Schwäche, Reizung der Schleimhäute, Haarausfall.

Sie mochte sich selbst nicht mehr im Spiegel ansehen. Nach zwei Jahren musste sie den erbitterten Kampf aufgeben, konnte nur noch palliativ behandelt werden. Sie wusste, dass das MRT höchstwahrscheinlich ihr Leben gerettet hätte. Im Frühstadium lag die Genesungsquote bei 90 Prozent. Aber es ging ja nicht um die Rettung von Testikeln sondern um Brüste, dazu um Brüste von alternden Frauen, an denen kein Mann mehr ein gesteigertes Interesse hatte. Schon gar nicht der junge Schnösel, der sie so brüsk abgewiesen hatte. Sie würde gehen müssen, aber ihn würde sie mitnehmen und wenn er in ihr Gesicht sah, würde er wissen, warum.

... link (1 Kommentar)   ... comment