Freitag, 12. Mai 2023
Und am Ende ist einer tot
"Wir sollten den Altarraum zu einer Boulder-Halle umbauen, damit lägen wir total im Trend.", meinte Hannes und blickte Beifall heischend in die Runde.

"Und in drei Jahren gibt es dann die Renaissance der Inliner und wir müssen einen Rollschuh-Parcour einbauen und die Klettergriffe in Blumenampeln verwandeln?", fragte Sylvia.

"Ich möchte einmal konstruktive Kritik von dir hören, Sylvia.", schoss Hannes zurück. "Wir brauchen tragfähige Konzepte. Du guckst immer nur auf deine Zahlen und sagst was NICHT geht. Was schlägst du denn vor?"

"Wir wollen die Kirche als Kirche retten, nicht als Bausubstanz.", erwiderte Sylvia. "Wir brauchen Vorschläge, die zu uns passen. Ein multifunkitonaler Versammlungs- und Schulungsraum, der auch mal für eine private Feier angemietet werden kann. Ein Zentrum im Stadtteil, das finde ich sinnvoll."

"Dafür braucht es keine alten Steine.", erklärte Burkhard. "Verkaufen wir den Ballast an die Mennoniten. Die scharren schon mit den Hufen und kratzen jede Summe zusammen, die wir verlangen. Mit dem Geld bauen wir eine mobile Kirche auf, die ihresgleichen sucht."

"Wir kennen dein Konzept.", stöhnte Heike. "Letztendlich ist es wieder der alte Kack im neuen Frack. Ich finde, was wir als Kirche vor allem bieten müssen, ist ein spiritueller Ort, ein Sakralraum, den viele nutzen können, auch Menschen anderer religiöser Orientierung. Auch wenn Du als Pfarrer natürlich meinst, dass wir nur für die Christ:innen da sein sollen."

"Das ist unser Auftrag.", erklärte Burkhard. "Alle einladen, aber schon zum christlichen Glauben. Ein Zen-Zentrum wird unser Dom sicherlich nicht. Das würde die Landeskirche niemals genehmigen. Aber davon abgesehen ist es typisch deutsch, immer nur in Steine zu investieren, statt in Menschen. Mobile Kleinstkirchen, gemütlich ausgestattete Bullis, in denen Kleingruppen sich treffen oder von denen aus man Open-Air-Veranstatlungen in Wohngebieten organisieren kann, mit denen man Spielzeug für Kinder herumfährt und vieles mehr. Das käme einmal im Lokalfernsehen und innerhalb kürzester Zeit würde das Schule machen. Wie Pilze würden die mobilen Kirchen aus dem Boden schießen und wachsen und Gemeinde würde sich ganz neu erfinden."

"Wir kennen deine Ausführungen auswendig, Burkhard." schaltete Sylvia sich ein. "Da stecken wir einmal das ganze Geld rein und dann ist es weg. Die Bullis vergammeln und die Personalkosten ruinieren uns final. Das hat keine Perspektive und das wird ebensowenig von der Landeskirche abgenickt wie Kletterhallen oder Zen-Zentren. Und jetzt will ich hier keine spinnerten Hobby-Lobbyisten mehr hören, jetzt will ich tragfähige Ideen, mit denen wir unsere Kirche retten und unsere Gemeinde am Leben halten."

"Auf jeden Fall brauchen wir Platz.", meinte Hannes. "Entkernen und für viel neutralen Raum sorgen. Das macht uns flexibel und die Kirche vielfältig nutzbar."

"Dem schließe ich mich an.", meinte Heike. "Wir sind ja nicht katholisch. Schmucklose Nüchternheit, klare Linien, helle, warme Farben."

"Sonnengelb-Orange?", unkte Burkhard.

"Warum nicht?", keifte Heike. "Kalt und dunkel ist es in den meisten Kirchen. Und in Taizé bedient man sich auch der warmen Töne."

"Das kommt von den vielen Kerzen.", meinte Hannes. "Die sollten wir aber abschaffen. Das belastet die Atemluft. Und wenn sich Leute in den Räumen bewegen wollen, dann..."

"Kein Fitness-Palast!", unterbrach ihn Sylvia. "Aber Entkernung und Multifunktionalität, das ist doch schon mal ein Konsens. Ich beauftrage Herrn Höhne für einen Entwurf, dann..."

"...sieht die Kirche aus wie alle Gemeindehäuser im Umkreis von fünfzig Kilometern", fiel ihr nun Hannes ins Wort. "Ich kenne einen tollen Architekten, der würde uns kostenlos einen groben Vorschlag ausarbeiten. Da hätten wir eine Alternative."

"Gut.", meinte Sylvia. "Frag ihn. Ich bestelle trotzdem bei Höhne, der kennt wenigstens unsere Erfordernisse. Was nützt uns der beste Look, wenn nichts funktioniert? Wir können die Vorschläge ja dann vergleichen. Und jetzt würde ich gern ein Vaterunser beten und nach Hause gehen."

Zwei Stunden später war Sylvia noch immer nicht zu Hause angekommen. Sie war nicht im Gemeindehaus. Als ihr Mann sie suchte, fand er sie wenige hundert Meter vom Grundstück entfernt mit blutigem Schädel am Rande einer Blumenwiese.

Burkhard bebte vor Vorfreude. Die lästige Kirchmeisterin würde seinen reformatorischen Plänen nun nicht mehr im Wege stehen. Die anderen Schwachmaten im Presbyterium waren alle viel zu sehr mit ihrer persönliche Work-Life-Balance und ihrer Selbstdarstellung beschäftigt, die setzten nichts durch und konnten sich auf nichts einigen. Er würde einfach das fertige Konzept vorlegen und absegnen lassen. Besser eine Frau bleibt auf der Strecke, als eine ganze Gemeinde.

Der Ziegelstein lag in der Mulde der Baufirma, zusammen mit seinen zerlatschten Sandalen. Die würde morgen Früh abgeholt. Das alte T-Shirt und die Kordhose verkohlten mit den Socken im Kaminofen. Die eigene Haut weichte in der Badewanne ein mit Olivenseife und Lavendelbad. Er wusch seinen ganzen Leib in Unschuld. Eliah hatte 400 Baalspriester erschlagen. Er nur eine renitente Kirchmeisterin. Der Herr würde ihm vergeben.

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