Freitag, 4. August 2017
Abraham ist schuld – vierteiliger Kurzkrimi – Teil II
Voll Wonne ließ Abram seine alten Knochen knacken. Die ersten Strahlen der Morgensonne durchdrangen das Zelt und tanzten auf Hagars reizvollen Rundungen. Heute Nacht würde er sich mal eine Pause gönnen, aber morgen wäre Sarai wieder dran. Elohim hatte ihn mit zwei prachtvollen Weibern gesegnet, wenn sie auch nicht besonders fruchtbar waren. Immerhin hatte Hagar vor zehn Jahren den Ismael entbunden, aber Sarais flacher Bauch hatte sich bis heute nicht gerundet, dabei war sie wie Erdbeben und Lava zwischen den Laken. Hagar öffnete ihre ägyptischen Mandelaugen und murmelte: „Steht die Sonne schon hoch?“
„Ja, mein Herz.“, erwiderte Abram zärtlich. „Eigentlich sollte ich dich Feuer machen schicken, aber das kann Sarai ja auch allein bestellen, derweil ich meine Lieblingsfrau noch eine Weile im Arm halte.“
„Ich muss nach Ismael sehen:“, erwiderte Hagar. „Es ging ihm gestern Abend nicht gut. Vielleicht brauchte er nur die Ruhe der Nacht, aber vielleicht braucht er auch Arznei.“
Sie wand sich aus den Armen ihres Mannes und streifte ihr Gewand über. Ihre prachtvollen, glänzenden Locken drehte sie in einen Turban aus blauem Tuch, das ihre bronzefarbene Haut zum Leuchten brachte. Mit wiegenden Hüften verließ sie das Zelt und Abram seufzte vor Entzücken.
Ismael war längst auf den Beinen und melkte die ersten Ziegen. Sarai schichtete gerade Holz und Ziegenkot auf, Hagar brachte das Feuerwerkzeug.
„Wird ein heißer Tag heute.“, meinte sie. „Eigentlich müssten wir nur warten, dann könnte die Sonne den Morgentee bereiten.“
„Abram würde toben, wenn wir den Tee erst zur Mittagszeit fertig hätten.“, erwiderte Sarai. „Vielleicht sollten wir ihm mal einen starken Schlaftrunk brauen, der ihn bis zur Mittagsstunde schlafen lässt, dann könnten wir tatsächlich die Sonne für uns arbeiten lassen und morgens länger schlafen.“
„Die nächste Generation lauert schon.“, entgegnete Hagar grinsend. „Mein Sohn übt schon heimlich Patriarchen-Posen. Wenn Abram morgens nicht wach würde, würde er umgehend sein Erbe antreten und uns schlimmer scheuchen, als der Alte es je vermocht hat.“
„Wenigstens hast du einen Sohn.“, seufzte Sarai.
„Verschaff dir doch auch einen.“, schlug Hagar vor.
„Ich liege doch schon so viele Nächte bei Abram.“, rechtfertigte sich Sarai. „Was soll ich denn noch alles tun? Elohim lässt meinen Leib verdorren und ich weiß nicht warum.“
„Vielleicht ist es ja gar nicht dein Leib, den Elohim verdorren lässt.“, gab Hagar zu bedenken. „Es hat Jahre gedauert, bis ich schwanger wurde, und in den letzten zehn Jahren ist es nicht wieder vorgekommen. Neun Monde bevor Ismael zur Welt kam, habe ich mir Unterstützung außerhalb der Sippe geholt und es hat prompt geklappt.“
„Ich verstehe dich nicht ganz.“, entgegnete Sarai fassungslos, die längst ahnte, was sie nicht glauben konnte.
„Ismaels Vater war ein Fremder, der auf der Durchreise unser Gast war. Ein bildschöner Bursche, ich habe allerdings auch darauf geachtet, dass er Abram etwas ähnlich sah, damit nicht sofort auffällt, dass ich meinem Mann das Kind eines Anderen in die Arme gelegt habe. Aber wie sollte ich mir Nachkommen verschaffen von einem, dessen Samen kraftlos ist? Sicher ist dein Schoß genauso fruchtbar wie meiner, du hast ja noch deinen Blutfluss, versuche es einfach, bevor es zu spät ist.“
Etwa ein Jahr später kamen die Frauen wieder morgens an der Feuerstelle zusammen. Sarai kicherte. „Abram meint, er hat die Lösung für meine Kinderlosigkeit gefunden. Elohim hat angeblich zu ihm gesprochen und angekündigt, dass er so viele Nachkommen haben wird wie Sterne am Himmel und dass wir ab sofort neue Namen bekommen.“
„Und wie heißt du jetzt?“
„Sarah“
„Wie innovativ. Und Abram? Heißt der jetzt Abrm?“
„Nee, Abraham.“
„Das war ja wieder klar. Dein Name wird verstümmelt und seiner aufgebläht und das soll dann gegen Kinderlosigkeit helfen. Die Männer, was die sich immer auf ihre unnützen kleinen Beiträge einbilden. Liegen den ganzen Tag nur rum, trinken Tee, reden mit ihrem eingebildeten Gott und behaupten, uns zu beschützen. Dabei bin ich diejenige, die die Löwen vertreibt und du diejenige, die die Schlangen verscheucht. Und in der Nacht schmiert er uns ein bisschen voll mit dem, was er für seine Nachkommen hält. Die Welt ist schon verrückt, in der ausgerechnet die das Sagen haben, die zu gar nichts nütze sind.“
„Es ist, wie es ist.“, erwiderte Sarah. „Ich bin jetzt Sarah, er Abraham. - Sieh mal, aus dem Westen kommt eine kleine Karawane angerückt.“
„Das bedeutet, wir müssen dreimal soviel Wasser kochen und Brot backen.“, erwiderte Hagar seufzend. „Ich schicke Ismael zur Wasserstelle. Dann können wir noch mehr Körner mahlen und das Feuer schüren.“
Die Frauen arbeiteten unter Hochdruck. Als die Karawane fast bei ihnen angekommen war, blieb Hagar der Mund offen stehen. „Das ist er.“, raunte sie Sarah zu.
„Das ist wer?“, flüsterte Sarah zurück.
„Ismaels Vater. Der mit dem weißen Turban.“
„Oh.“, sagte Sarah nur, denn er war eine beeindruckende Erscheinung, ein bildschöner Mann, der die Besonderheiten verschiedenster Volksgruppen in seinem Gesicht und an seinem Körper vereinte. Er war hoch gewachsen wie die Äthiopier, seine Haut hatte die Farbe von Lehm und die Augen waren schräg wie die der Menschen, die von sehr weit her aus dem Osten kamen. Sein Haar war schwarz und glatt, der Bart dagegen kraus und drahtig und die Lippen geschwungen wie bei denen vom Euphrat- wie auch die von Abraham. Die hohen Wangenknochen stammten wohl ebenfalls aus dem Osten, er stellte die vollendete Komposition aus vielen verschiedenen Völkern dar.
Hagar war schon auf die Gruppe zugegangen, hatte sie begrüßt und ihnen Wasser gereicht. Sarah sah, wie sie sich mit dem schönen Fremden unterhielt und sich dann zu ihr umdrehte. Der Fremde sah sie an mit seinen warmen Mandelaugen und als ihre Blicke sich trafen, empfand Sarah eine verwirrende Mischung aus tiefster Sehnsucht und aufkommenden Fluchtimpulsen. Der Fremde nickte lächelnd und Sarah verschwand im Zelt, verwirrt und aufgewühlt. Sie füllte frisch geröstete Körner in die Getreidemühle und zerrieb den Weizen zwischen den Mühlsteinen. Hagar betrat grinsend das Zelt. „Er ist einverstanden:“, sagte sie.
„Wer ist womit einverstanden?“
„Vahid ist bereit, dich kennenzulernen.“
„Wozu?“
„Damit du dir von ihm Nachkommen verschaffen kannst.“
„Vahid? Was ist das überhaupt für ein Name? Was bedeutet er?“
„Vahid ist ein Name aus dem Reich Elam und er bedeutet: der Einzigartige.“
„Wie passend.“
„Ja, nicht wahr? Ist er nicht entzückend?“
„Er ist so hinreißend, dass ich es kaum aushalte. Wie soll ich mich mit ihm unterhalten, wenn ich ihm in Gedanken bereits die Gewänder von den Hüften reiße?“
„Du schaffst das schon, ich habe das ja schließlich auch hinbekommen.“
„Ja, du. Du bist ja auch selbst so schön wie der Morgen.“, dass Abraham ihr schon viele Male nachts ins Ohr geflüstert hatte, dass er die Liebe eigentlich nur mit ihr genieße und Hagar nur wegen der Nachkommen beschlafe, behielt sie für sich. Allerdings ahnte sie, dass er Hagar dasselbe erzählte und sie war froh, dass die Freundin sie genauso wenig als Rivalin sah, wie sie selbst.
Sarah war mit den Gedanken nicht so recht bei der Sache und hätte Hagar nicht aufgepasst, wäre der Brotteig missraten und die frischen Fladen wären im Feuer verbrannt. Den ganze Tag über waren die Frauen mit dem Zubereiten von Mahlzeiten beschäftigt, während sich der Patriarch mit den Gästen in den Schatten fläzte und sich bedienen ließ. Vahid warf Sarah verheißungsvolle Blicke zu und sie betete, dass Abraham es nicht bemerkte, aber der war so mit seiner narzistischen Selbstdarstellung beschäftigt, dass er kaum wahrnahm, was um ihn herum geschah. Sie raunte Hagar zu: „Beim Gäste unterhalten ist er genauso wie im Bett. Er wird einfach nicht fertig.“
„Das ist bei Vahid auch anders.“, kicherte Hagar. „Er sagte, er glaube, Abraham braucht so lange, weil er seine Vorhaut beschnitten hat. Bei jungen Männern soll das nicht schlecht sein, sonst sind die schon damit zu Ende, wenn du gerade überlegst, dass es dir vielleicht gefallen könnte. Aber wenn sie älter werden, ist es eine Plage mit ihnen. Sie reiben sich in dir und rühren in dir herum und mühen sich ab und du bist mit den Gedanken schon beim Eintopf und der Wäsche und betest, dass sie endlich von dir herunter steigen, damit du wieder Luft bekommst und dich sauber machen kannst.“
„Ach ja.“, erwiderte Sarah. „Dass die Männer uns aber auch immer mit diesem klebrigen Eiter beflecken müssen und uns nicht wie die Blumen bestäuben können. Oder ist das bei Vahid auch anders?“
„Nein, ganz im Gegenteil. Aus seinen Lenden kommt drei Mal soviel Saft, du denkst danach, dein Blutfluss habe eingesetzt. Aber währenddessen denkst du gar nicht.“

In der Nacht schlich Sarah sich aus dem Zelt. In eine Decke gehüllt machte sie sich auf den Weg zur nahe gelegenen Höhle, um dort ein Feuer zu entzünden. Hagar hatte Vahid bei passender Gelegenheit zugeflüstert, dass er die Höhle nachts aufsuchen solle. Hagar hielt Abraham die halbe Nacht auf Trab, bis er schließlich total erschöpft in einen tiefen Schlaf fiel.
Sarahs Feuer verbreitete gerade eine wohlige Wärme in der Höhle, als Vahid eintrat. Sie sprachen kein Wort, sie sahen sich nur an. Sarah breitete die Decke neben dem Feuer aus und legte ihr Gewand ab. Vahid tat es ihr gleich, setzte sich auf die Decke und zog sie zu sich herunter. Hagar hatte nicht zu viel versprochen; Vahid war ein Zauberkünstler. Sie liebten sich nicht nur einmal und als sie nacheinander ins Lager zurück schlichen – sie noch im Mondschein, er in der Morgendämmerung - lagen alle anderen fest in Morpheus Armen und nicht einmal Hagar wusste mit Sicherheit, ob das, was sie eingefädelt hatte, tatsächlich stattgefunden hatte.
ENDE TEIL II – FORTSETZUNG FOLGT

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